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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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habe ich sie sagen hören.« Furcht ließ seine Stimme schriller klingen; er wollte nicht gegen die Anweisung der Königin handeln.
    »Ich sage, du wartest bei der Weggabelung«, wiederholte Brant ganz leise. Der Junge ging. Brant drehte sich zu mir um.
    Ich hörte aus seinen Worten gegenüber dem Jungen einen angespannten Ton. Einen Augenblick lang blieb er reglos in der Dunkelheit stehen, und ich deutete aus einem Beben seiner Schultern auf einen schrecklichen Kampf, der in seinem Innern vorging. Dann schoß seine Faust hervor und hieb auf mich ein.
    Der Schlag traf mich am Oberarm und schleuderte mich an die gegenüberliegende Wand. Mein Kopf schlug auf die Holzträger; Schmerz flammte in meinem Arm auf. Völlige Dunkelheit erfüllte die Hütte. Aus dieser Dunkelheit zerrte Brant mich auf die Füße und sagte leise in mein Ohr: »Du hast ihn mir weggenommen, obwohl er von mir war.«
    Wieder schlug er mich, diesmal in den Bauch. Ich konnte nicht mehr atmen. Ich keuchte, kippte vornüber, und Brant verdrehte mir die Arme, bis ich glaubte, er bräche mir die Knochen. Ich hörte eine Stimme schreien und begriff, daß es die meine war.
    Er ließ meine Arme los. Ich stürzte zu Boden und blieb keuchend liegen. Sein Stiefel stand eine Handbreit von meinem Gesicht entfernt; ich wand mich, um mich von ihm zu entfernen, doch der Schmerz in meinem verrenkten Arm ließ mich erneut aufschreien. Ich konnte nicht von seinem Stiefel abrücken. Die Augen fielen mir zu, und als ich sie wieder aufschlagen konnte, war Brant verschwunden.
    Ich lag mit gefesselten Händen auf dem feuchten Boden. Die Schmerzen ließen nach, aber Zuckungen schüttelten mich. Das Zittern hielt an. Lange Zeit konnte ich nicht aufhören zu zittern. Noch immer trennte der Schmerz meinen Körper von meinem Geist, verdrängte alles Denken, und ich war mir nur meines Körpers und der Wellen des üblen Schmerzes bewußt, die ihn schüttelten.
    Endlich kehrte das Denken wieder.
    Zwischen meinen Schauern kam mir eine Erinnerung hoch: wie Brant als Junge bei Mutter Arcoa einen anderen Jungen verprügelte, der eine Katze angezündet hatte. Brant hatte das Feuer gelöscht, getötet, was von der Katze übriggeblieben war und dann den Jungen blutig geschlagen. Ich hatte mich in diesem Augenblick vor ihm gefürchtet, hatte ihn vom Treppenaufgang aus beobachtet und konnte kein Auge von seinen trommelnden Fäusten und seinem unerbittlichen Gesicht wenden. Er hatte wie ein Besessener gekämpft und war schließlich nicht von dem Jungen fortgezerrt worden, sondern hatte von selbst aufgehört. Er hatte den Grobian blutend und bewußtlos, aber ohne Knochenbrüche oder dauerhaft geschädigte Organe liegenlassen. Das war das erste Mal, daß ich Brant voller Mißtrauen und voller Furcht gesehen hatte: So kämpften keine Söhne von Harfnern oder Bauern. Sie besaßen nicht die genaue, tödliche Ausbildung namens Jal-un: die Kunst, gezielt zu verletzen, aber nicht mehr.
    An diesem Abend hatte er mich mit großer Zärtlichkeit in jener winzigen Dachkammer genommen. Anschließend hatte ich meinen Kopf auf seine Brust gebettet und geweint aus Furcht vor seiner körperlichen Kraft und vor der Macht meines eigenen Verlangens nach ihm.
    Ich rappelte mich auf die Knie hoch, würgte den Schmerz hinunter und stand dann auf. Die zusammengebrochene Mauer bestand aus einem Haufen kniehohen Schotters. Langsam und unter schmerzlichem Zucken kletterte ich hinüber. Dahinter stand Brant an einen Baum gelehnt und wartete.
    Sein Gesicht lag im Dunkeln. Hätte ich darin Zorn, Rachgier oder das lustvolle Vergnügen am Schmerzzufügen erkannt, hätte ich es, glaube ich, besser ertragen. Haß hätte mich gefestigt, wie Entsetzen es nicht vermochte.
    »Warum jetzt, Brant? Warum jetzt? Du weißt seit gestern abend, daß Jorry…«
    Er packte mich an den Schultern und zerrte mich über den Schutt in die Hütte zurück. Eine lange Weile blieb er reglos stehen und verbarg sich hinter dieser schrecklichen, gewalttätigen Anspannung. Seine Schultern bebten. Dann holte er aus und schlug mich erneut.
    Schmerz flammte in meiner Brust auf. Ich war die in Brand gesteckte Katze, ich war der blutende, zusammengeschlagene Junge. Dann war ich Fia, und ich taumelte auf die Beine, versuchte ihn zu treten und fiel auf einen Haufen, der mir die Rippen aus der Brust zu reißen schien.
    Die Tür der Hütte flog auf, und der Junge stand im Raum.
    »Mylord! Mylord! Das dürft Ihr nicht! Die Königin…«
    »Raus«, befahl

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