Schalmeienklänge
Lächeln. »Aber ich hatte Befehl von der Königin, die Geschichtenspielerin zurückzuholen.«
Rofdals Blick fiel auf mich. Ich nehme an, daß er mich vorher nicht erkannt, sondern nur ein schäbiges Pony und die zierliche, schlecht gekleidete Gestalt eines Dieners gesehen hatte. Nun betrachtete er mich eingehender, und sein Gesicht verfinsterte sich.
»Die habe ich doch vom Palast fortgeschickt.«
Brant schaute verwirrt drein. Er machte das so gut, daß vermutlich nur ich, die übermäßig wachsam und an Schauspielerei gewöhnt war, merkte, daß seine Verwirrung eine Pose war. Er warf Leonore einen erschreckten Blick zu, der jedoch deutlich genug war, um Rofdals Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, senkte den Blick wie aus Verlegenheit angesichts eines dummen Mißverständnisses von Untergebenen und schaute dann wieder zu Rofdal mit einem offenen, lächelnden Blick, der seinen Lehensherrn zur gemeinsamen männlichen Erheiterung über die Schrullen einer schwangeren Frau aufforderte.
»Eine Laune, vielleicht, die ihrer Gnaden… Zustand zuzuschreiben ist? Ich habe schon des öfteren gehört, Mylord, daß mit Jungen Schwangere häufiger unter dem Druck der vitaleren Ansinnen ihrer Babys gewöhnliche Belustigungen suchen. Die Königin verlangte insbesondere, daß die Geschichtenspielerin für Euch auf dem Mittsommermaskenfest auftritt, und ich habe ihre Anordnung selbstverständlich sofort ausgeführt.«
»Hattet Ihr eine solche Anordnung erlassen?« wollte Rofdal von Leonore wissen.
Leonores Gesicht war bleich geworden im Schatten ihrer mit Vorhängen versehenen Sänfte. Doch sie brachte ein Lächeln zustande, ein kaltes und gelassenes Lächeln. »Es sollte eine Überraschung werden, Mylord. Ich habe sagen hören, diese Geschichtenspielerin wäre trotz ihres unglücklichen Einstiegs hier in der Lage, eine bestimmte Geschichte darzustellen, die Euer Gnaden besonderes Vergnügen bereiten wird. Aber ich fürchte, Lord Brant hat meine Überraschung verdorben.«
Rofdal schaute immer noch finster drein, und der Ausgang hing in der Schwebe: Würde seine Mißbilligung siegen, daß er verspottet worden war, oder aber sein Vergnügen und seine Neugier auf eine überraschende Darbietung? Keiner sprach ein Wort, keiner sah den anderen an, während die Spannung wuchs. Dann beugte sich die blonde Frau nach vorn und flüsterte Rofdal etwas ins Ohr, worauf der schallend zu lachen begann.
»Ha! Das ist wahr, meine Schöne! Wie ist Euch das nur in den Sinn gekommen! Nun schön, wenn wir schon ein Maskenfest veranstalten, soll die Geschichtenspielerin auch auftreten. Ich danke Euch, Madame, für die Überraschung, und es tut mir leid, wenn Brant sie verdorben hat. Brant, Lady Cynda hat deine Strafe festgelegt, und es gibt kein Entkommen. Du mußt ohne deinen Braunen auf einem schlechteren Pferd mit uns zur Jagd reiten, und du und ich, wir werden wieder die Hecke nehmen!«
»Mit dem allergrößten Vergnügen«, erklärte Brant und lächelte.
Ein frisches Pferd wurde unter großer Geschäftigkeit und viel Gelächter herbeigeführt. Männer schlossen Wetten ab, ob Brant die Hecke nehmen oder stürzen würde. Ein Junker von Brants Größe zog seine Jacke aus, und Brant tauschte seine eigene, vom Pferdeblut rot verschmierte gegen die des Junkers. Ich sah, wie er lachte, den Kopf zurückwarf und sein Gesicht zur Sonne hob.
Lady Cynda lenkte ihr Pferd ein wenig zur Seite; ich sah, wie sie sich hinabbeugte und mit dem Junker sprach. Einen Augenblick später reichte er ihr Brants blutigen Handschuh. Sie schaute ihn nicht an, sondern steckte ihn unbegreiflicherweise in die Falten ihres Rocks, daß das klebrige Leder im blauen Samt verborgen war. Auch ihr Gesicht wirkte fröhlich mit ihrem Lachen und war wunderschön im Sonnenlicht. Brants Ehefrau.
Unter Hörnerklang brach die Jagdgesellschaft auf. Rofdal und Cynda ritten voran, Brant direkt hinter ihnen. Er schaute nicht zurück.
Leonore, die bei den Dienern zurückgelassen worden war, sah mich an. In ihren Augen stand kalte Wut. Sie mußte wissen, daß Brant es absichtlich arrangiert hatte, meinen Auftritt vor dem Maskenfest öffentlich preiszugeben. Er hatte das alles geplant: die Aufführung, Rofdals Einverständnis, das getötete Pferd, Jorrys Entführung, meine heimliche Verprügelung und die Prellungen, die es nun zur Qual machten, im Sattel zu sitzen. Er hatte das alles entworfen wie eine kunstvolle Geschichte zwischen seinen Handflächen, und ich wußte nicht, zu welchem
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