Schalmeienklänge
riesige Braune schwenkte nach rechts und mußte einen großen Satz vom Weg auf den weichen, von vielen Kleintieren unterwühlten Damm machen. Er wieherte, stürzte und warf Brant ab. Bis der Junge und ich dort angelangt waren, lag das Pferd wild ausschlagend auf dem trügerischen Boden, und Brant stand mit aufgerissenem Ärmel und blutiger Wange über ihm.
»Er hat sich ein Bein gebrochen«, erklärte Brant regungslos. Der Junge starrte ihn erschreckt an. »Los, tritt zurück«, befahl Brant. »Ich werde es tun. Ich sagte, tritt zurück!«
Der Junge wendete sein Pferd und lenkte mein Pony mit fort. Ich schaute über die Schulter, als der Braune aufschrie. Er ruderte im weichen Staub, schrie erneut, lag dann still, und schäumendes Blut trat aus seinem Maul. Brant steckte sein Schwert in die Scheide und kam auf uns zu.
Blut hatte seine Jacke auf der Brust, seinen rechten Arm und Panzerhandschuh und seine verschrammte rechte Wange bespritzt. Ohne weitere Anweisung stieg der Junge ab, und Brant setzte sich auf das Pony. Die Zügel meines Ponys glitten von den schmutzigen Fingern des Jungen in die blutigen von Brants Handschuh.
Ich hatte es gesehen. Er hatte sein Pferd straucheln lassen, damit es sich ein Bein brach. Er hatte es absichtlich getan.
Brant sagte zu dem Jungen: »Geh nach Hause in dein Dorf. Komm nicht wieder zum Schloß. Hier.« Er zog eine Münze heraus, besudelte sie mit Blut und reichte sie dem Jungen. Auf dem einfältigen Gesicht des Jungen sah ich bäuerliche Furcht im Widerstreit mit bäuerlicher Habgier. Er nahm die Münze entgegen. Brant sah ihm nach, wie er in die Wälder zurückkehrte, und währenddessen rührte sich keiner von uns, weder die Ponys noch ich. Brant blinzelte in die Sonne und versuchte ihren Stand am Himmel abzuschätzen. Dann trat er in die Flanken des Ponys und ritt aus dem Wald auf das weite, grasbewachsene Plateau, auf dem sich der Palast erhob. Um uns her stieg der Duft der von den Vier Schutzgöttern bevorzugten Levkojen in die warme Luft.
*
Vor dem Schloß hatte sich eine königliche Jagdgesellschaft versammelt. Die Sonne über uns stand nun im mittäglichen Zenit.
An der Spitze der Jagdgesellschaft ritt Rofdal massig auf einem kräftigen Rotschimmel. Neben ihm auf einem weißen Pferd ritt eine Frau in Blau. Ich sah sie nur als einen Nebel von Samt und Schleiern; mir taten alle meine Blutergüsse weh, der Kopf war mir wirr vom Mangel an Schlaf und Nahrung und schmerzte aus Angst um Jorry. Der Brant, der mich verprügelt hatte, war nicht der von vor zehn Jahren oder auch nur der, den ich im Großen Saal zu sehen geglaubt hatte. Was mochte er mit Jorry vorhaben?
»Brant«, rief der König heiter, und Brant und ich ritten blutverschmiert und schlecht zu Pferd, wie wir waren, zum König hinauf. »Was im Namen der Schutzgötter ist dir denn widerfahren?«
»Ein Unfall, Mylord«, erklärte Brant, und wieder hatte ich einen dieser Umschwünge, die mit dem Schmerz einhergehen, und sah das Zwiegespräch mit erhöhter, vertiefender Deutlichkeit, als ob sich jedes Wort und jedes Zeichen in mein Bewußtsein gruben.
Rofdals kleine Augen, die in seinem fleischigen Gesicht funkelten. Die blonde Frau von einer Schönheit, wie man sie sonst nur von Gemälden kennt, die mit spöttischen blauen Augen von Rofdal zu Brant sah. Ihr Jagdhut mit einem Hauch von blauem Schleier; er wehte wie ein Schatten über ihre linke Wange. Und Leonore war ebenfalls anwesend in einer Sänfte, um ihren Gemahl bei seinem Aufbruch zur Jagd zu beobachten, und ihr Blick wanderte langsam von Rofdal zu der Frau in Blau und wieder zurück.
Brant erklärte: »Mein Pferd tat einen Fehltritt in ein Kaninchenloch und brach sich das Bein. Ich mußte es töten.«
»Deinen roten Hengst!« rief Rofdal. »Was für ein Jammer, Brant. Ein wundervolles Pferd.«
»Ich werde seinesgleichen nicht wiederfinden«, meinte Brant.
»Ich hatte erwartet, daß du dich uns anschließt«, sagte Rofdal. Ein Schatten von Verärgerung streifte sein Gesicht und ging sogleich in seiner überquellenden guten Laune unter. Er hatte einen herrlichen Tag, ein lebhaftes Pferd, und die Dame, die er neben sich zu reiten ausersehen hatte, war wunderschön und lächelte. Er hieb Brant auf seine blutige Schulter und grölte: »Du wirst eine anständige Jagd verpassen! Ich wollte gerne sehen, wie du die hohe Hecke nimmst, an der du bei der letzten Jagd gestrauchelt bist!«
»Diesmal wäre ich nicht gestrauchelt«, meinte Brant mit einem
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