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Schalom

Titel: Schalom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nehmen?, dachte sie. Sprichst du aus dem Mund eines Kindes zu mir? Sie lachte, aber Menachem lächelte nicht einmal. Sein Gesicht blieb unbewegt.
    »Ich habe ihn geliebt, hast du gesagt?« Sie drehte sich zu Gil um und sah ihm an, dass er fest entschlossen war, ihnen nahe zu sein. »Das ist nicht das passende Wort. Ich glaube nicht, dass es dafür ein passendes Wort gibt. Menachem und ich waren zusammengefügt. Von jenem Tag an, als ich ihn zum ersten Mal sah, bis zu dem Tag, an dem er diese Welt verließ, waren wir zwei untrennbare Teile eines Ganzen. Und dann war ich plötzlich allein, ein Teil von etwas, was es nicht mehr gab. Verstehst du das?«
    So hatte sie noch nie gesprochen. Avri und Jaki wussten vielleicht, dass es so war, aber sie hatte es ihnen nie gesagt. Es gab niemanden auf der Welt, zu dem sie so etwas hätte sagen können, und im Grund hatte sie es bisher noch nicht mal in Gedanken so formuliert. Was war an diesem jungen Menachem, dass er ihr solche Sätze entlockte? Er hatte nichts gesagt und nichts getan, er war doch gerade erst gekommen, und schon öffnete sie sich ihm mit einer unerwarteten Leichtigkeit. Sie nahm seine Hand, die auf dem Sofa lag.
    »Weißt du, Gil, vielleicht lässt sich keine große äußerliche Ähnlichkeit feststellen, aber du hast etwas von deinem Großvater, und jeder, der Menachem kannte, stellt das sofort fest.«
    »Was ist es denn?«, erkundigte er sich.
    Seine Hand lag in ihrer, sie schaute ihm in die Augen, er senkte den Blick nicht. Ohne jede Verlegenheit schaute er direkt in ihre Augen.
    »Ich weiß es nicht, ich glaube nicht, dass es sich in Worte fassen lässt, aber ich bin sicher, jeder, der deinen Großvater kannte, wird es spüren.«
    Noch immer schaute er sie an, und in seinem Blick lag so etwas wie Durst, bei ihren anderen Enkelkindern hatte sie das nie erlebt. Er sagte es zwar nicht, aber sie hatte das Gefühl, in ihm den Wunsch zu spüren, etwas über sie und Menachem zu erfahren, was nicht mal ihre Söhne je hatten wissen wollen. Und sie empfand ein ungekanntes Bedürfnis, sich ihm mitzuteilen, doch sie wusste nicht, wie sie anfangen sollte, auch nicht, was es war, was er wissen wollte. Und plötzlich, wie von einer unsichtbaren Hand geführt, ging sie zum Schrank, holte das alte Fotoalbum heraus, setzte sich und schlug es auf.
    Er setzte sich neben sie und wich nicht aus, als ihr Bein das seine berührte. Wenn sie mutig gewesen wäre, hätte sie ihn umarmt und auf die Stirn geküsst. Die Kinder von Avri hatten sich das Fotoalbum nur angeschaut, als sie für die Schule etwas über ihre Familie schreiben mussten und ein paar Fotos brauchten. Aber auch da hatten sie kein wirkliches Interesse gezeigt, sie hatten das Album schnell durchgeblättert, und als sie gefunden hatten, was sie suchten, hatten sie es wieder zugeklappt. Sie empfand das nicht als kränkend. Die Kinder lebten in einer anderen Welt, sie wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass es anders sein könnte.
    Doch Jakis Sohn war schon gespannt, bevor sie die erste Seite aufschlug.
    »Wow …«, rutschte es ihm heraus, als er das erste Foto von ihr und Menachem sah, das von einem Soldat der Roten Armee aufgenommen worden war, gleich nachdem sie die da liquidiert hatten und man die Wälder verlassen konnte. Menachem war in einen Militärmantel gewickelt und hatte eine Schirmmütze auf dem Kopf, und sie trug einen dicken Wollmantel mit einem braunen, pelzähnlichen Kragen und einen hellen Wollschal. Sie war damals zweiundzwanzig Jahre alt gewesen und Menachem dreiundzwanzig. Menachem lächelte sie auf dem Foto an, und obwohl er seine Lippen nicht bewegte, hörte sie seine Stimme sagen: »Wie schön du bist.«
    Sie konnte sich nicht mehr beherrschen und streichelte Gils Kopf.
    »Menachem ist auf diesem Bild hier genauso schön wie du …«, sagte sie, und als sie sah, wie naiv er sie anschaute, war sie so aufgeregt, dass ihr die aufsteigenden Tränen die Stimme raubten, sie war nicht mehr in der Lage weiterzusprechen. Sie legte das Album auf Gils Knie und erhob sich.
    Verwundert sah er sie an, und obwohl sie sich Mühe gab, ihre Erregung zu beherrschen, brachte sie mit erstickter Stimme heraus, sie wolle etwas zu trinken vorbereiten.
    »Du kannst dir in der Zwischenzeit die Fotos anschauen«, sagte sie, als ihr die Stimme wieder gehorchte. Sie erkundigte sich, was er gern trinken wolle, ging in die Küche und ließ ihn allein mit dem alten Album, das voller Fotos aus Menachems Leben war. In der Küche

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