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Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)

Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)

Titel: Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meike Nilos
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musterten mich mit arroganten und belustigten Blicken, aber das war mir gleich.
    Mein Herz pochte schnell und laut, das Blut rauschte in meinen Ohren. Willoughby war in ein Gespräch vertieft, und als er sich endlich zu mir umdrehte, schien die Zeit stehen zu bleiben. Ich sah nur noch ihn, vergaß alles andere um mich herum und lief auf ihn zu. Wie durch eine dicke Decke hindurch hörte ich Elinor meinen Namen rufen und kurz bevor ich mich Willoughby an den Hals werfen konnte, erreichte sie mich und hielt mich am Arm fest. Erst da bemerkte ich, dass Willoughby sich nicht vom Fleck gerührt hatte. Er sah mich nur erschrocken an, sagte kein Wort. Eine Frau legte besitzergreifend die Hand auf seine Schulter und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin er in schallendes Gelächter ausbrach und sich von mir abwandte.
    Alle Kraft wich aus meinen Gliedern, meine Beine knickten ein und die Welt verschwamm in einem Meer aus Farben, die sich zu Strudeln verbanden und sich schneller und schneller drehten. Dann war alles dunkel.
     

20
    Ich erwachte in meinem Bett in Mrs Jennings‘ Haus. Elinor saß in einem Lehnstuhl und hatte die Augen geschlossen. Willoughbys Gelächter hallte in meinen Ohren nach, wieder und wieder sah ich, wie er sich umdrehte, seinen Arm um die andere Frau legte. Ich hatte mir etwas vorgemacht, hatte mir seine Zuneigung so fest eingeredet, dass ich selbst daran geglaubt hatte. Er liebte mich nicht, ich war nur sein Spielzeug gewesen, das er wegwarf, als er seiner überdrüssig wurde. Es war vorbei. Mein Leben war zu Ende. Niemals wieder würde ich einen Mann so lieben können, wie ich Willoughby geliebt hatte.
    “Wie fühlst du dich?” Elinor beugte sich zu mir und legte mir die Hand auf den Arm.
    Ich fühlte gar nichts. Willoughby hatte mich ausgefüllt, er war mein Leben gewesen, und jetzt, wo er keinen Platz mehr darin einnahm, blieb nur Leere zurück. Ich spürte Tränen über meine Wangen rinnen, ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können. Und das wollte ich auch gar nicht, ich wollte weinen, bis ich in meinen eigenen Tränen ertrank.
    “Ich muss etwas wissen”, sagte Elinor. “Auch wenn es dich schmerzt, du musst mir sagen, ob Mr Willoughby sich dir tatsächlich erklärt hat. Hat er dir einen Antrag gemacht, Marianne?”
    “Nein”, flüsterte ich. “Das hat er nicht.”
    Elinor rieb sich über die Augen. “Dann musst du alles erfahren. Die Frau, die du mit ihm gesehen hast, ist seine Verlobte.”
    “Das glaube ich nicht!”, rief ich aus.
    “Es ist wahr, Marianne.”
    “Woher weißt du das? Wer behauptet so etwas?”
    “Oberst Brandon hat mich aufgesucht. Er war bei deinem … Er war ebenfalls auf dem Ball. Heute in aller Frühe hat er sich nach deinem Befinden erkundigt. Er hat lange mit sich gerungen, es aber dann für das Richtige erachtet, mir die Wahrheit über Mr Willoughby zu erzählen.” Mit einer Handbewegung brachte sie mich zum Schweigen, als ich sie unterbrechen wollte. “Lass mich ausreden, Marianne. Mr Willoughby besitzt keinen Cent. Er wurde enterbt, weil er in eine delikate Geschichte mit einem Mädchen aus London verwickelt war. Der einzige Ausweg, der ihm blieb, war sich reich zu verheiraten, und genau das wird er demnächst tun.”
    Ich sackte in meinen Kissen zusammen. Eine delikate Geschichte. Ich wagte nicht, Elinor nach Einzelheiten zu fragen, zu deutlich standen mir all die Dinge vor Augen, die ich mit Willoughby getan hatte.
    “Würdest du mich bitte allein lassen?”, bat ich und Elinor erhob sich.
    “Wir werden nach Hause fahren”, sagte sie. “Oberst Brandon hat freundlicherweise angeboten, uns in seiner Kutsche mitzunehmen. Morgen früh reisen wir ab.”
     

21
    Die Heimreise verlief in trübsinnigem Schweigen. Elinor versuchte zwar, eine höfliche Konversation in Gang zu halten, aber mehr als ein knappes Ja oder Nein steuerte ich nicht dazu bei und auch Oberst Brandon war schweigsam. Das Wetter hätte unsere Stimmung nicht besser spiegeln können, Nebel begleitete uns und feiner, aber eisigkalter Regen. Die Welt war in einen grauen, klammen Mantel gehüllt, so wie ich in grauen Trübsinn, dessen Kälte mich bis ins Innerste durchdrang.
    Endlich zu Hause angekommen, verabschiedete sich der Oberst ebenso wortkarg, wie er während der Fahrt gewesen war, doch Elinor rang ihm das Versprechen ab, uns bald zum Tee zu besuchen.
    Ich war müde und hatte mir einen Schnupfen eingefangen und doch konnte ich nicht anders, als hinaus in den Regen zu laufen, um

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