Scham und Schamlosigkeit: Die wahre Geschichte der Marianne Dashwood (German Edition)
feucht.
“Es tut mir so leid für dich”, sagte ich. “Mr Ferras …”
“Bitte, Marianne, lass mich einfach einen Moment alleine. Mr Ferras hat getan, was ihm der Anstand gebot. Er hatte ein Versprechen gegeben, das er einhalten musste.”
“Aber er hat doch dich geliebt!”, ereiferte ich mich. “Wie konnte er da eine andere heiraten?”
“Marianne, es gibt Wichtigeres als die Liebe. Zuverlässigkeit, Beständigkeit, dass man zu seinem Wort steht. All das sind Vorzüge, die ich an Mr Ferras schätze, und hätte er sein Wort Miss Steele gegenüber gebrochen, ich hätte ihn nicht mehr respektieren können. Gib mir nur ein paar Minuten Zeit, um mich zu sammeln.”
Noch vor wenigen Wochen hätte ich Elinor nicht verstanden, doch nun, nach alldem was passiert war, fiel es mit leichter, ihr Verhalten zu begreifen.
Es klopfte an der Tür. Ich wandte mich um und blickte in Mr Ferras’ blasses Gesicht. Elinor stand wie erstarrt, dann fasste sie sich und lächelte schwach. “Mr Ferras”, sagte sie. “Ich freue mich, Sie zu sehen. Kommen Sie doch bitte herein.”
Sie geleitete ihn in den Salon und ich folgte den beiden, nicht ohne Bewunderung für die Charakterstärke meiner Schwester, die selbst nach der Nachricht von Mr Ferras’ Hochzeit noch die Kraft aufbrachte, ihm die Gastfreundschaft entgegen zu bringen, die die Höflichkeit verlangte. Aber wie musste es sie schmerzen, ihn gerade jetzt wieder zu sehen.
Mutter bot ihm Tee an, doch er blieb stehen, seinen Hut in den Händen knetend. Er wirkte auf mich wie ein herrenloser Hund.
“Wir haben gerade von der Hochzeit erfahren”, sagte Mutter.
“Oh”, erwiderte er, “die Hochzeit. Ja, natürlich.”
“Unsere herzlichsten Glückwünsche”, sagte Elinor. “Wie geht es der frischgebackenen Mrs Edward Ferras?”
Mr Ferras war sichtlich überrascht. “Mrs Edward Ferras?”, fragte er. “Da muss ein Missverständnis vorliegen, Miss Dashwood. Es handelt sich um meinen Bruder, Robert Ferras, der sich vermählt hat.”
Elinor schluchzte auf. Oberst Brandon sprang von seinem Stuhl und auch Mutter erhob sich erschreckt. Sie schob uns alle aus dem Zimmer. Ich konnte gerade noch sehen, wie Mr Ferras vor Elinor auf die Knie fiel und drückte mein Gesicht an Brandons Schulter, überwältigt von so viel Glück.
22
Ich heiratete den Oberst im Frühling, sobald der Schnee geschmolzen war. Als wir aus der Kirche kamen, dachte ich, ich hätte Willoughbys Gesicht unter den Anwesenden erkannt, aber das spielte keine Rolle mehr, ich hatte das wahre Glück gefunden. Der Oberst brachte mich Heim auf sein Gut.
Er trug mich über die Schwelle und sogleich hinauf in mein Schlafzimmer. Mit geschickten Fingern entkleidete er mich. Als ich nackt und etwas verlegen vor ihm stand, betrachtete er mich eine ganze Zeit lang nur. “Du bist so wunderschön, Marianne, ich kann mein Glück kaum fassen, noch kann ich in Worte fassen, was ich für dich empfinde.”
“Dann zeig es mir”, sagte ich, nahm seine Hand und zog ihn auf das große Bett.
Er bedeckte mich mit Küssen, erkundete jeden Winkel meines Körpers, unsere Körper bewegten sich im gleichen Takt, unser Atem vermischte sich, unsere Herzen schlugen wie eines. Wir waren keine zwei Menschen mehr, wir waren zwei Hälften eines Wesens, die einst getrennt wurden und nun zueinander zurück gefunden hatten.
Als Brandon in mich eindrang, vereinigten sich nicht nur unsere Körper, auch unsere Gedanken wurden eins, es war nicht auszumachen wessen Lunge atmete, wessen Herz das Blut durch unsere Adern pumpte.
Eng umschlungen schliefen wir ein und als wir erwachten, begannen wir den neuen Tag dort, wo uns der Schlaf in der Nacht unterbrochen hatte.
Nach wenigen Tagen schon, war Brandons Haus auch zu meinem Zuhause geworden. Tagsüber ritten wir gemeinsam aus, machten lange Spaziergänge, lachten und redeten, und nachts liebten wir uns. Er schenkte mir Momente des vollkommenen Glücks. Ich konnte nicht glauben, dass ich diesen Mann, der mich sowohl geistig als auch körperlich befriedigte, jemals für langweilig gehalten hatte.
Epilog
In diesem Augenblick, in dem ich diese Zeilen noch einmal lese, die ich in langen Nächten im Schein einer Kerze aufschrieb, erkenne ich die Lächerlichkeit meines jungen Wesens. Ich hätte keinen besseren Ehemann als Oberst Brandon finden können, und hätte ich gewusst, zu welcher Stärke meine Liebe zu ihm mit der Zeit anwachsen würde, ich hätte keinen Gedanken an einen Mann
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