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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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über die tief ins Gesicht gezogene Fellmütze. »Wir brauchen einen Arzt.«
    »Den haben wir aber nicht.« Leonard sah sich um, als ob dort draußen in der hereinbrechenden Nacht eine Lösung zu finden sei.
    »Wir können ihn zu meinem Stamm bringen.«
    Leonard schaute auf. Der junge Jämschtschik, der ihren Schlitten gelenkt hatte, meldete sich überraschend zu Wort. Er gehörte anscheinend zu den Tungusen, jenen Ureinwohnern, die in dieser Gegend siedelten. Er hatte bereits vor einer Weile eine Fackel entzündet. Unnatürlich funkelten seine schwarzen Augen im Schein des Feuers.
    »Unser Dorf ist viel näher als die nächste Stadt«, fügte er hinzu. »Nur etwa zehn Werst entfernt. Es liegt etwas abseits in einem Tal. Meine Leute sind gastfreundlich, sie werden euch für die Nacht aufnehmen.«
    »Das geht nicht«, fuhr Subbota dazwischen. »Wir haben es eilig, und es ist uns nicht erlaubt, von der Strecke abzuweichen.«
    »Wenn Sie ein Herz haben!«, flehte Kissanka.
    Alle Augen waren auf den Mann der Ochrana gerichtet. Subbota fühlte sich unbehaglich. Das konnte Leonard daran erkennen, wie er seinen Hals streckte, um dem zu eng gewickelten Wollschal zu entkommen.
    »Es kann doch nicht im Interesse des Zaren liegen, dass man sein wertvolles Arbeitspotential einfach so krepieren lässt«, bemerkte Aslan mit einer gehörigen Portion Ironie in der Stimme.
    Subbotas Lippen wurden noch schmaler.
    »Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß«, sagte Leonard leise. »Wir werden schon nicht abhauen. Wohin sollten wir auch gehen? Wir wären schnell eine willkommene Mahlzeit für Wölfe und Bären, die hier überall herumstreifen.«
    »Von mir aus«, knurrte Subbota. Dann wandte er sich um und richtete seinen Blick auf den jungen Jämschtschik. »Wie ist dein Name?«
    |117| »Tschirin.«
    »Also gut, Tschirin, haben deine Leute Platz für all diese Menschen?«
    Der junge Tunguse nickte beflissen. »Unserem Stammesältesten wird es eine Ehre sein, euch zu empfangen. Eure Kranken könnt ihr getrost unseren Müttern anvertrauen. Sie verstehen sich auf die Heilkunst.«
    In Kissankas Augen flackerte Hoffnung auf.
    Subbota nickte mürrisch, dann fluchte er, weil dieser unvorhergesehene Stopp seinen Auftrag in Gefahr brachte. Nach einer Absprache mit dem Oberhaupt der Kosaken stimmte er kurz darauf zu, dass die Überlebenden allesamt aufsitzen durften.
     
    Tschirin lenkte den Schlitten geschickt zwischen hoch aufragenden Tannen durch die Dunkelheit, bis sie zu einer flachen Lichtung gelangten, die an einem zugefrorenen Fluss lag. Ihnen folgten die übrigen, noch fahrtüchtigen Schlitten und die Horde wilder Kosaken, deren Pferde heftig schnaubend durch den tiefen Schnee trabten.
    Leonid hielt den Jungen im Arm. Sein Atem ging schnell, und sein kleines Gesicht glühte vom Fieber.
    »Er wird sterben«, flüsterte Kissanka verzweifelt. Sie saß dicht neben Leonard gedrängt und streichelte immer wieder den Kopf ihres Bruders, während sie stumm betete.
    Leonard schwieg. Ihm fehlten die tröstenden Worte. Leicht wie ein Vogel lag der Junge in seinen Armen, und er musste an Eisenstein denken und an Katja und dass das Schicksal gnadenlos sein konnte.
    Der Empfang der Tungusen fiel tatsächlich weit herzlicher aus, als Leonard angenommen hatte. Wer freute sich schon zu dieser Jahreszeit darüber, wenn plötzlich zwanzig Esser mehr am Tisch saßen. Noch dazu Strafgefangene in Ketten und Kosaken, deren wüste Bärte und martialische Bewaffnung alles andere als vertrauenerweckend wirkten. Eine ältere Frau, in bunte Gewänder gehüllt, führte die Ankömmlinge in ein großes Zelt, das inmitten von fünf kleineren Zelten stand.
    Bunte Teppiche und unzählige Felle von Wölfen, Bären und Rentieren schmückten den einzigen Raum, in dessen Mitte ein wärmendes Feuer prasselte.
    Die Frau warf einen Blick auf Leonard, der das Kind ins Zelt getragen |118| hatte und es immer noch in seinen Armen hielt. Dann nickte sie wissend und verschwand nach draußen.
    »Wo will sie hin?« Leonard schaute Tschirin fragend an. »Hast du nicht gesagt, dass eure Frauen uns helfen können?«
    »Ihr habt ausgesprochenes Glück.« Der junge Tunguse setzte eine andächtige Miene auf. »Heute ist der Schamane mit seinem Gehilfen zugegen. Er wird einen Tanz aufführen und die Geister der Ahnen beschwören. Er ist in der Lage, alle Krankheiten zu heilen, die du dir vorstellen kannst. Er kann sogar Tote erwecken. Es geht gleich los.«
    Mit einer einladenden Geste forderte der

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