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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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seine Glieder, um sicherzustellen, dass sie trotz der wärmenden Verpackung nicht eingefroren waren. Nasimowsk, ein abgelegenes Nest, das Jägern und Goldsuchern auf der Reise in den Norden einen vorübergehenden Unterschlupf bot, konnte nicht mehr weit sein. Etwa 50 Werst entfernt, wie der Kutscher versicherte. Dort wollten sie ihr erstes Nachtlager aufschlagen.
    Mit lautem Gekläffe näherten sich zwei Hundegespanne. Leonard hob den Kopf hinaus in die Kälte. Gleich dem Schatten einer blutgierigen Meute von Höllengeschöpfen flogen ihnen die Gespanne über die hügelige Schneelandschaft entgegen, eingehüllt in den Schein einer blutroten untergehenden Sonne. Dabei flatterten die Zungen der Tiere wie fleischgewordene Fahnen zwischen ihren geifernden, weit geöffneten Lefzen.
    Ein heiseres Rollen, gefolgt von einem warnenden Knurren, erhob sich aus der Kehle des Leithundes. Das Tempo des Schlittens steigerte sich immer weiter. Bald fielen auch die anderen Hunde in das aggressiv klingende Gebell ihres Anführers ein.
    Leonard steckte seinen Kopf aus der Fellkapuze, um zu sehen, was da vor sich ging. Mit einem leichten Stoß weckte er seine Kameraden.
    »Was ist los?«, murmelte Pjotr schläfrig. Seine runde Nase kämpfte sich aus einem Wust von räudigem Wolfsfell, das die Kapuze seines Mantels umrahmte.
    »Schau dir das an!« Mit unheilschwangerer Miene nickte Leonard hinaus in die blauweiße Wildnis. »Wenn das gutgeht, putze ich jedem von euch die Stiefel, und das ein Jahr lang.«
    Tatsächlich verlor der Wagenlenker des entgegenkommenden Schlittens zusehends die Kontrolle über das stattliche Leittier.
    Der Jämschtschik des ersten Pferdeschlittens, der den Treck der Deportierten anführte, stieß in der aufkommenden Dämmerung einen kehligen Warnruf aus. Hastig zügelte er die zottigen Pferde. Doch es nützte nicht viel. Das Gespann hielt direkt auf ihn zu, und die nachkommenden Pferdeschlitten hatten Mühe, nicht aufzufahren.
    Nun war auch Aslan aus seinem Halbschlaf erwacht.
    »Spinnt der Kerl?« Alarmiert stieß er den schlafenden Oberleutnant in die Seite, der zusammengekauert neben ihm hockte. Subbota setzte sich unverzüglich auf. »Was? Wie?«, entfuhr es ihm. Wild schlug er |111| den Kopf hin und her, um sich einen Überblick zu verschaffen und sah, dass ihr Schlitten in abenteuerlicher Fahrt die Richtung wechselte. »Pass doch auf, du Idiot!«, schrie er dem Jämschtschik zu.
    Doch der junge Schlittenlenker konnte nichts weiter tun, als die Pferde hart zu zügeln, damit sie nicht in den nächsten Schlitten hineinstürmten. Im letzten Augenblick wollte es ihm gelingen, den Wagen zum Stehen zu bringen. Die anderen hatten nicht soviel Glück.
    Ein Chaos entstand, als die voranfahrenden Jämschtschiks versuchten, hinter ihrem jeweiligen Vordermann aufs freie Feld auszuweichen. Die ersten beiden Schlitten überschlugen sich auf einem Abhang, den die laut wiehernden Tiere hinuntergestürzt waren. Koffer und Kisten fielen über die eisige Fläche, glitten noch weiter hinab und landeten nach einer längeren Rutschpartie am zugefrorenen Flussufer. Auch Männer, Frauen und Kinder stürzten von den Schlitten. Schreiend prallten sie gegeneinander, wurden von schweren Gepäckstücken getroffen und rollten über den Schnee.
    Die Hunde der entgegenkommenden Schlitten waren nun nicht mehr zu kontrollieren. Ohne auf die verzweifelten Rufe ihrer Führer zu achten, rissen die beiden Rudel ihre Gespanne soweit herum, bis sie unter einem berstenden Geräusch zusammenkrachten. In hohem Bogen wurde einer der Männer davon geschleudert. Einem zweiten erging es noch schlechter. Die Kufen der beiden Schlitten zermalmten den Schädel des Mannes, als ob er nur eine Walnuss wäre. Blut spritzte in den Schnee und färbte ihn tiefrot.
    Die Hunde brachte all das nicht zur Besinnung. Ihr räuberischer Instinkt, der nun ungehemmt hervorbrach, trieb die nach Fleisch gierenden Tiere zu ihrer schutzlosen Beute hin. Wie rasende Bestien schlugen sie ihre scharfen Zähne in die Leiber der wehrlosen Pferde, tranken das warme Blut und rissen ganze Stücke aus Bäuchen und Schenkeln. Vor Angst und Schmerz halb wahnsinnig, schlugen die Tiere aus und zertrümmerten ihre eigenen Gespanne, bevor sie sich losreißen und mitsamt Zügeln und Joch das Weite suchen konnten.
    Fassungslos beobachteten Leonard und seine Kameraden das grausige Schauspiel.
    »Mach uns los!« Leonard hielt Subbota Hand- und Fußketten hin. »Wir müssen helfen!«
    |112| Der

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