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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Offenbar kannte der rothaarige Touristenführer Viktorias ungeliebten neuen Beschützer. Er begrüßte Lebenov jedoch eher beiläufig und zündete sich eine Zigarette an.
    Es hatte endlich zu regnen aufgehört, doch der Himmel war noch immer grau und spiegelte sich trostlos in den vielen Pfützen auf der Straße.
    Viktoria trug ihre wasserdichten Springerstiefel und einen dunkelblauen Windbreaker. Die Kapuze hatte sie tief ins Gesicht gezogen. Lebenov gab ihr zu verstehen, dass sie ihm zu seinem Wagen folgen sollte. »Es wäre nicht schlecht, wenn Sie auch mitkommen!« Lebenov blickte Kolja mit fordernder Miene an.«Sie kennen sich in der Gegend aus, habe ich gehört.« Der junge Russe zuckte mit den Schultern und warf seine Zigarette auf den Boden, wo sie mit einem Zischen erlosch.
    Viktoria verspürte Erleichterung, weil sie Lebenov nicht alleine begleiten musste. Sie warf Kolja einen verschwörerischen Blick zu. Lebenov musste nicht wissen, dass sie den Russen mochte und ihm weit mehr vertraute als dem GazCom-Mann und dessen Leuten. Kolja steckte rasch einen Zettel an den Geländewagen, damit Theisen Bescheid wusste, wenn er zurückkam und auf sie warten würde.
    Zuvorkommend und mit einem falschen Lächeln hielt Lebenov Viktoria die Wagentür auf. Auf den Türen und auf der Motorhaube des rustikalen UAZ prangte ein großes G mit einer dreizüngigen Flamme – das Emblem von GazCom .
    Kolja rutschte neben ihr auf den Rücksitz und empfahl ihr nachdrücklich, sich anzuschnallen. Die Straßen hier hatten überall riesige Schlaglöcher, da würden auch die Fahrkünste von Lebenovs Chauffeur, einem schmächtigen Kirgisen, nichts helfen. Kolja, der sich tatsächlich auszukennen schien, gab dem uniformierten Fahrer Anweisungen, wo es lang ging.
    |168| Dass die Kompetenzen Lebenovs der Macht der örtlichen Polizei gleichzusetzen waren oder diese gar übertrafen, erkannte Viktoria an dessen selbstbewusstem Auftreten und der Art, wie er seinen Fahrer über einen holperigen Weg in das drei Kilometer entfernte Jurtendorf dirigierte und zu höherem Tempo antrieb.
    Umgeben von riesigen Tannen waren neun kleinere und größere Hütten aus Lehm, Holz und Fellen von den heimischen Bewohnern wie ein schützendes Fort errichtet worden. Spielende Kinder wichen kreischend zur Seite, und ein paar erschrockene Hühner flogen auf, als der Geländewagen sich einen Weg zur Mitte des Dorfes bahnte. Etliche magere Hunde schlichen umher und näherten sich schnuppernd den Neuankömmlingen. Lebenov verscheuchte sie mit Fußtritten, nachdem er ausgestiegen war. Einige Tiere knurrten angriffslustig, während die Ängstlichen unter ihnen die Ruten zwischen die Hinterläufe einklemmten.
    Kolja warf Viktoria einen abwehrenden Blick zu, als sie ihn fragend ansah. Zu gern hätte sie gewusst, was sie von einer solchen Aktion zu halten hatte, doch der junge Russe wollte sich wohl in Lebenovs Gegenwart nicht den Mund verbrennen.
    Mit einem Zeichen gab Lebenov zu verstehen, dass sie aussteigen und ihm folgen sollten. Die reglosen Gesichter der umherstehenden Dorfbewohner, die nach und nach mit furchtsamer Neugierde aus ihren Häusern hervortraten, nährten in Viktoria den Verdacht, dass irgendeine Art Vergeltungsaktion bevorstand. Auf dem Weg hatten Lebenov und sein Fahrer vom Tod jenes Mannes gesprochen, der in die tungusische Selbstschussanlage geraten war, von der Theisen ihr erzählt hatte. Hoffentlich machte Lebenov nicht zu viel Wind um die Sache. Den Gedanken, dass ihr Retter irgendetwas damit zu tun haben konnte, verdrängte sie.
    Lebenov rief einen schlaksigen jungen Kerl zu sich heran, der allem Anschein nach nicht nach den alten Traditionen lebte. Seine viel zu weite Jeans entsprach westlicher Mode. Außerdem fehlte ihm eine weitere traditionelle Eigenart der Tungusen: der Respekt vor dem Alter. Er allein hatte den Mut besessen, Lebenov ohne Begrüßung direkt in die Augen zu schauen.
    »He, Bursche?«, fragte Lebenov barsch und ging auf den Jungen zu. »Wo finde ich hier den Dorfältesten?«
    |169| Der Junge wich instinktiv zurück. »Dort«, antwortete er verhalten und deutete auf eine Jurte am Ende des Dorfes, die halb versteckt im Wald lag.
    Die meisten Ewenken, wie Viktoria von Kolja wusste, waren mittlerweile moderne Menschen. Nur wenige bevorzugten noch die traditionelle Behausung der alten tungusischen Steppenbevölkerung.
    »Der Eingang einer Jurte ist immer nach Osten gerichtet«, erklärte Kolja ihr leise. »Wenn der traditionelle

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