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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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Tunguse am Morgen hinaustritt, verneigt er sich vor der aufgehenden Sonne.«
    Lebenov beachtete den Jungen nicht mehr, sondern wies Kolja und Viktoria an, ihm zu folgen. Mit militärisch anmutenden Schritten strebte er auf den fellverhangenen Eingang zu, der tatsächlich nach Osten zeigte. Ohne anzuklopfen und ohne ein Wort der Erklärung, bahnte er sich den Weg ins Innere.
    Viktoria und Kolja näherten sich zögernd dem Eingang, in dem Lebenov so plötzlich verschwunden war. Sein Fahrer war am Wagen stehen geblieben und hatte sich mit einem linkischen Rundumblick eine Zigarette angezündet. Wahrscheinlich hatte sein Chef genug Feinde, dass man jederzeit mit einem Angriff rechnen musste.
    Eine grauhaarige alte Frau, die über ihrer traditionell bunten Kleidung eine moderne Kittelschürze trug, fuhr von ihrem steinernen Herd herum, als sie eintraten. Für einen Moment hatte Viktoria den Eindruck, als wolle die Alte vor Lebenov fliehen. Doch dann wandte sie sich dem unangekündigten Besuch zu und ließ ihren Kochlöffel sinken, wie eine Waffe, die sie einer Kapitulation gleich zu Boden richtete. Ihre hellen Augen leuchteten aufgeregt aus einem wettergegerbten Gesicht, dessen unzählige Fältchen sich zu einem harmonischen Netz vereinten.
    »Guten Morgen, Mütterchen«, erklärte Lebenov zur Begrüßung. Sein Blick schweifte selbstgefällig durch die einfache Behausung. Wie ein Feudalherr stand er dort und scannte die wenigen, seltsamen Habseligkeiten der Hausbesitzer.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«, erwiderte die Frau, die ihren Schreck offenbar noch nicht überwunden hatte.
    Lebenov zückte mit einer gewichtigen Geste seinen Konzernausweis. »Mein Name ist Andrej Semjonowitsch Lebenov. Ich bin Sicherheitsbeauftragter |170| von GazCom . Ich will den Stammesältesten sprechen.« Lebenov stemmte seine Fäuste in die Hüften. »Ist er nicht da?«
    »Mein Mann ist in den Wäldern unterwegs«, antwortete die alte Frau ausweichend, während ihre wachen Augen nervös umherhuschten, als erwarte sie noch jemand anderen. »Wenn Sie mir sagen, was er für Sie tun und wo er Sie erreichen kann, werde ich es ihm ausrichten, und er meldet sich später bei Ihnen.«
    Viktoria bemühte sich, ihre Neugierde zu unterdrücken. Nur aus den Augenwinkeln registrierte sie die ungewohnte Umgebung. Es gab vier kleine Fenster, die neben einem Rauchabzug an der Decke ein wenig Helligkeit ins Halbdunkel brachten. In einem offenen Kamin prasselte ein Feuer. Es roch nach Holzkohle, Tierfellen und gebackenem Brot. Dazu lag ein Geruch von Kräutern in der Luft. Überall hingen getrocknete Büschel mit Blumen und Blättern von der Holzbalkendecke herab, und etliche Teppiche schmückten die Wände. Ein monströses Sofa mit einer bunt bestickten Decke beherrschte den einzigen Raum, der Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer überraschend harmonisch in sich vereinte. Auch auf dem Boden lagen überall Teppiche. Beiläufig registrierte Viktoria die Schlammspuren, die Lebenovs Stiefel auf dem Teppich hinterlassen hatten, und stellte sich dabei die Frage, wie man eine solche Behausung ohne Strom und fließendes Wasser sauber hielt. »Wir suchen einen eurer Stammesangehörigen«, erklärte Lebenov kühl. Plötzlich blickte er zu Viktoria hin. »Diese junge Frau hier ist eine Deutsche. Sie hatte einen Tauchunfall, oben im Chekosee. Sie war bewusstlos, und es sieht ganz danach aus, als wäre sie anschließend von einem Ewenken entführt worden. Sie kann sich an kaum etwas erinnern, nur an einen Mann, der ihr vor Tagen hier in der Stadt begegnet ist und ihrem Entführer ähnlich sieht. Nachdem der Mann sie geborgen hatte, hat er ihr etwas eingeflößt. Danach hat er sich ihr körperlich genähert, vielleicht hat er sie auch vergewaltigt. Sie war zu benommen, um es genau zu beschreiben.«
    Verdammt, dachte Viktoria. Doktor Parlowa hatte ihr Versprechen, zu schweigen, nicht gehalten.
    Der alten Frau war das Unbehagen anzusehen, das sie empfand.
    »Vielleicht, Mütterchen«, fuhr Lebenov respektlos fort,«kannst du |171| uns helfen, den Mann zu finden. Soweit ich weiß, leben in Vanavara nur rund 300 Ureinwohner. Du kennst doch sicher all jene jungen Kerle, die hier herumlaufen und denen eine Frau fehlt, die ihnen das Bett wärmt. Oder etwa nicht?«
    »Was reden Sie da?«, widersprach Viktoria heftig. »Der Mann hat mich nicht entführt.« Die Taktlosigkeit ihres Begleiters trieb ihr die Röte ins Gesicht – nicht aus Scham, sondern aus Wut. »Und schon gar nicht

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