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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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sie aufschaute, spiegelte sich noch etwas anderes darin: ein seltsames Glühen, das auf Viktoria unheimlich und angsteinflößend wirkte. Vielleicht war es Hass. Sie konnte es nur ahnen, als die alte Frau abermals ihre Stimme erhob. Leise und mit einem harten Zug um den Mund starrte sie ins Nichts.
    »Menschen wie Sergej Bashtiri haben unseren Leonid auf dem Gewissen. Es sind keine ehrbaren Männer.« Ihre Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. Dann hob sie ihre Brauen und schaute Viktoria funkelnd an. »Es sind reißende Wölfe …«
    Ihr Blick fiel auf den Alten, der immer noch neben Viktoria auf dem Sofa saß und die ganze Zeit über ihre Hand hielt. »Mein Mann könnte es ihnen bestätigen.«
    Viktoria beschloss, dass es Zeit wurde zu gehen. Sie wollte die Alten nicht weiter belästigen. Vielleicht hatten die beiden über den Tod ihres einzigen Enkels den Verstand verloren. Und nun kam eine dahergelaufene Deutsche und wühlte in ihrer schmerzlichen Vergangenheit. Außerdem war Viktoria sicher, dass sie mit ihrem Forscherdrang die Identität dieses Mannes selbst herausfinden würde. Dafür würde sie weder dessen vermeintliche Großeltern noch Lebenov und Bashtiri brauchen. Mit einem schwachen Händedruck und einem kaum hörbaren »Doswidan’ja« verabschiedete sie sich.
    Für einen Moment glaubte sie, der alte Mann wolle ihr noch etwas |180| mit auf den Weg geben. Doch dann schüttelte er leise den Kopf und schwieg, während er Viktoria beobachtete, wie sie ihre Stiefel zuschnürte und hinausging.
    »Habt ihr den Typen gesehen, der mich beinahe umgerannt hat, als ich in die Jurte gehen wollte?« Fragend schaute sie von Sven zu Kolja, als sie zum Wagen zurückgekehrt war.
    »Nein«, sagte Sven und schüttelte den Kopf.
    »Welchen Typ?« Kolja schaute sie fragend an. »Meinst du den Alten, der nach dir in die Hütte gegangen ist?«
    »Vergiss es!« Sie seufzte resigniert.
    Mit fatalistischer Miene kletterte sie in den Rover und zog den Gurt fest. Theisen, der nun auf dem Beifahrersitz saß, wandte sich zu ihr um und legte ihr seine Hand auf die Schulter.
    »Was hat die Frau gesagt?«, fragte er. »Hast du etwas herausgefunden?«
    »Nein.« Es war müßig, das Gespräch vor den beiden zu wiederholen. »Wahrscheinlich war es nur eine fixe Idee, oder ich befinde mich immer noch auf einem Trip und merke es nicht.«
    »Was soll das bedeuten?« Theisen sah sie überrascht an.
    »Vergiss es.«

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    13
    Februar 1905, Sibirien – Pakt mit dem Teufel
    Eine Druckluftsirene holte Leonard aus einem kurzen traumlosen Schlaf. Für einen Moment hatte er tatsächlich geglaubt, im Haus des alten Eisenstein zu erwachen, als er die raue Stimme Isaak Weinbergs vernahm, der jeden Einzelnen von ihnen mit einem verschlafenen Shalom an der Schulter rüttelte.
     
    Bevor man sie zu einem kargen Frühstück in einen lang gezogenen Flachbau schickte, mussten etliche Formalitäten erledigt werden. Anstaltskleidung war Vorschrift: eine Hose, ein Kittel, ein Satz Unterwäsche. Genug, um nicht entblößt herumzulaufen, aber zu wenig, um nicht zu erfrieren, falls man so verrückt war, das Weite zu suchen.
    |181| Schweigend reihten sich die Häftlinge in eine lange Schlange von Wartenden ein und nahmen sich einen Blechnapf und eine Tasse, bevor sie sich dem Ausschank zuwandten. Dort gab es einen schwarzen Tee und eine gut gefüllte Kelle mit Kascha – Buchweizengrütze, süß oder salzig. Der reinste Luxus, wie ein Mitgefangener hinter Leonard meinte. Er drehte sich fragend um. Der Mann setzte ein fatalistisches Grinsen auf.
    »Frag mich! Ich weiß, wovon ich spreche. Bei der Armee gibt’s die Pampe nur pur.«
    Allein beim Anblick der Grütze drehte sich Leonard der Magen um. Aber was blieb ihm übrig? Hier gab es schnellere Arten zu sterben, als auf das Essen zu verzichten.
    Er zuckte überrascht zurück, als er das Gesicht des Mädchens erkannte, das ihm den dampfenden Tee in den Becher einschenkte. Es war Kissanka. Sie trug einen dunkelblauen Kittel, ein graues Kopftuch und sah völlig erschöpft aus. Hinter ihr keifte eine rundliche Vorarbeiterin, die ihr Anweisungen erteilte.
    Errette mich, sagten die Augen des Mädchens, als sie zu Leonard aufblickte, doch mehr als ein kurzes, tröstendes Lächeln brachte er nicht zustande.
    Beim zweiten Klang der Sirene erschien Igor Lobow, der Kommandeur des Lagers, um seine besonderen Gefangenen am Eingang der Baracke persönlich in Empfang zu nehmen. Im Gleichschritt führte der Offizier

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