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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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sie das große rußgeschwärzte Gemäuer, in dem der Lärm der Hämmer und Meißel so arg war, dass nach einer Weile die Ohren schmerzten. Es war der einzige Raum, in dem es so warm war, dass man ins Schwitzen geriet. Die Feuer wurden von einem riesigen dampfbetriebenen Blasebalg am Leben erhalten.
    »Hier wird das Werkzeug hergestellt«, bemerkte Weinberg mit lauter Stimme und deutete auf die vielen mit Öl und Ruß verschmierten Männer, die durchweg lederne Handschuhe und Schürzen trugen.
    Leonards Blick fiel auf Ivan Ivanowitsch Wassiljoff, Kissankas Vater, der dabei war, einen Eisenträger zu vernieten. Seine Hammerschläge kamen rasch und heftig.
    |186| Wenig später verließen sie die Halle und gelangten über eine weiß gefrorene Trasse zu einem gigantischen Kraftwerk, das die Ausmaße einer Kathedrale besaß. Im Innern hatte man den Boden sorgfältig gekachelt und den Untergrund an gewissen Stellen mit Eisenplatten verstärkt. Leonard geriet ins Staunen. Das Gebäude erschien ihm beinahe futuristisch, so modern war es angelegt. Acht riesige dampfmaschinenbetriebene Drehstrom-Generatoren sorgten für eine Leistung von insgesamt 128 Megawatt. Leonard stellte sich die Frage, wofür ein Gefangenenlager die Stromleistung einer Kleinstadt benötigte. Neben mehreren, mit Dampfmaschinen betriebenen Synchrongeneratoren sah man eine Reihe von mannshohen Drehzahlregulatoren mit einer verwirrenden Vielzahl an Gestängen und Kolben. Hier und dort liefen ein paar Lagerinsassen mit messingfarbenen Ölkännchen umher und beträufelten Laufräder und Scharniere. Es zischte, ratterte und summte, dass einem schier Hören und Sehen verging.
    »Luftgekühlt«, erklärte Weinberg den Mechanismus zur Wärmedrosselung in den Magnetspulen. »In dieser Gegend kein Kunststück«, bemerkte er lächelnd mit einem Blick nach draußen in die weißblaue Eishölle.
    Erst als sich der Abend über das Lager senkte, kehrten sie in ihre Unterkünfte zurück. Die Kammer, in der sie schliefen, war eiskalt. Weinberg befeuerte den kleinen Ofen mit Holzstücken und Kohle, die er sich mit Lobows Erlaubnis aus der lagereigenen Meierei beschafft hatte. Das Abendessen nahmen sie gemeinsam in ihrer bescheidenen Behausung ein. Jeder Häftling erhielt nur einmal am Tag ein warmes Essen in der Kantine. War er gehorsam, bekam er die übrigen Rationen an Brot, Tee und sonstigen Lebensmitteln, die ihm neben der Tagesverpflegung zur Verfügung standen, sowie das nötige Feuerholz. Doch wenn auch nur einer in der Gruppe nicht spurte, saß die gesamte Mannschaft am Abend ohne Verpflegung vor einem kalten Ofen. Machte man seine Sache jedoch besonders gut, konnte die Lagerleitung auch eine Extraration verteilen.
    Wortlos starrte Leonard in das flackernde Feuer. Aslan hatte sich längst die Decke über den Kopf gezogen, nur Pjotr saß noch da, vollständig angezogen, und schaute ins Leere. Weinberg goss den dampfenden Tee in die Becher und gab sie an seine neuen Kameraden weiter.
    |187| »Sie wollen, dass wir ihnen eine neue Waffe bauen, um die Japaner zu besiegen.« Pjotr bedachte den Professor mit einem unsicheren Blick. »Habe ich recht?«
    Weinberg sagte nichts, doch Leonard ergriff das Wort. In seiner Stimme lag ein Hauch von Ironie. »Wahrscheinlich soll sie größer und mächtiger sein als alles, was die Welt bisher gesehen hat.«
    »Eure Spekulationen sind nicht unbedingt falsch«, knurrte Weinberg so verhalten, als ob er Angst haben musste, dass sie belauscht würden. »Und es gibt einen entscheidenden Vorteil bei der Sache. Sobald wir dem Zaren und seinem Kriegsminister dazu verholfen haben, diese Welt zuverlässig in Schutt und Asche zu legen, wird nichts mehr existieren, wofür es sich lohnt, uns gefangen zu halten.«

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    14
    Juni 2008, Tunguska – Grosny
    In Leonids Erinnerung hallten Maschinengewehrsalven durch ein Meer von zerbombten Häuserfronten. Über ihm flog ein Helikopter, dessen Suchscheinwerfer die aufragenden Ruinen absuchte. Wie ein Hase, der vor einer Meute von Hunden flüchtet, rannte er durch die Bombentrichter und die tückischen Gräben, die sich unvermittelt entlang der zerstörten Straßen auftaten. Atemlos lauerte er hinter einem Mauervorsprung. Nie zuvor hatte er sich dringlicher gewünscht, auf der Stelle unsichtbar werden zu können – trotz der Dämmerung und der Tatsache, dass die Straßen von Grosny menschenleer schienen. Dieser Ruhe durfte man niemals vertrauen. Hastig inspizierte er seine Verwundungen: eine

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