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Schampanninger

Titel: Schampanninger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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nicht mehr so eingesperrt in diese Winternacht-Zelle. Julius hatte die Boxen ausgerichtet und ließ seine Musik losböllern. Analytisch filetierte er jedes Stück. Ich würde mich schämen, gewisse Details seiner Ausführungen preiszugeben. Männer, die nicht dabei waren, runzeln die Stirn, und Frau verstehen sowieso nie, warum sich erwachsene Kerle mit großer Begeisterung technisch aufgepumpte Nichtigkeiten erzählen und darüber freuen können. Aber Frauen fehlt einfach die jahrelange Ausbildung an Auto-, Flugzeug- und Schiffsquartetten, wo man mit Wankelmotor, Dienstgipfelhöhe oder Bruttoregistertonnen den Gegner plattmachen konnte.
    Ich musste ohnehin aufpassen, um mich nicht als komplett Ahnungsloser darzustellen. Ich höre zwar gern Musik, aber verstehen wollte ich sie noch nie. Meine Frage, warum denn der Sänger dauernd so brachial versuche, einen Vokalfick abzuliefern, wies Julius als unangemessen zurück. Hingegen griff er meinen Hinweis, dass diese minutenlangen Gitarrensoli monströs, aber unfertig wie der Turmbau zu Babel seien, begeistert auf. Das genau sei Rock ’n’ Roll, nicht das perfekte Stück, sondern die immer wieder neu angestachelte Hoffnung, dass das riesigste Ding, das die Welt je gesehen habe, endlich landen könnte. Und die müsse in jedem Song neu entstehen und wachgehalten werden.
    – Immerwährender Advent, wenn du verstehst, was ich meine, sagte Julius.
    Aber klar, deswegen saßen wir ja hier und feierten Santa Rock.

30
    Ich begann den Morgen fröhlich, wie es sich gehört. Summend zündete ich mit Espresso die vier Stufen, die nötig waren, mich erfolgreich in die Umlaufbahn dieses Tags zu schießen. Pfeifend schloss ich die Ladentür auf.
    Und das war es dann auch schon.
    Einem am Straßenrand geparkten größeren Fahrzeug entstiegen zwei Herren in grünen Daunenmänteln. Sie waren nicht als Zwillinge unterwegs, sondern trugen Dienstkleidung.
    – Herr Gossec, fragte der eine.
    Ich wandte mich um. Er klappte seinen Dienstausweis auf.
    – Polizei. Wo waren Sie vorgestern zwischen fünfzehn und neunzehn Uhr?
    Ich dachte nach. Zuerst hatte ich Kraterfeld verprügelt und dann Mogli die Tür eingetreten. Das sah nicht gut aus.
    – Unterwegs. Geschäftlich.
    – Zeugen?
    Ich schüttelte lieber den Kopf.
    – Dann muss ich Sie bitten mitzukommen.
    – Was denn nun, fragte ich. Müssen Sie bitten oder muss ich mitkommen?
    Er zog ein Taschentuch aus der Manteltasche und tupfte sich die Nase.
    – Letzteres. Sie sind vorläufig festgenommen.
    – Worum geht es?
    – Um den Fall Maillinger. Wir ermitteln, ob es sich um Mord handelt.
    Die Einschläge kamen immer näher.
    – Kann ich noch jemand für meinen Laden organisieren?
    – Bitte.
    Die beiden nahmen auf unserem Rock-’n’-Roll-Sofa Platz und guckten interessiert zu, was ich nun machen würde. Ich rief Julius an. Schon nach einer Viertelstunde kam er in den Laden getrabt. Schnell bemerkte er die beiden Herren auf dem Sofa und meine ernste Miene.
    – Ist was passiert?
    – Polizei, sagte ich. Einen von uns beiden brauchen sie immer zum Warmsitzen der Zellenbank.
    Julius begann sich hektisch abzutasten wie einer, der Geld, Gebiss und Gebetbuch gleichzeitig verloren hat.
    – Was soll ich tun?
    – Die Stellung hier halten. Und wenn ich bis morgen nicht draußen bin, schickst du mir einen Anwalt, ja?
    – Wird gemacht.
    Wir umarmten uns.
    – Ist das wegen mir, flüsterte mir Julius ins Ohr.
    Ich schüttelte den Kopf. Hilflos und erleichtert zugleich blickte mir Julius nach.

31
    Wir langten im Revier an. Meine beiden Begleiter hatten die hohe Kunst ausgebildet, sich in unvollständigen Sätzen perfekt miteinander zu verständigen.
    – Tätest du, Rudi …? Dann ginge ich …, fragte der Kleine.
    – Ja gut, erwiderte der Dicke. Aber dass du mir vielleicht vorher noch …?
    – Mit oder ohne?
    – Zwei vom süßen. Und wenn es welche gibt …
    – Auch zwei, gell?
    – Danke schön.
    Als wir dann oben im Zimmer saßen, gelang es mir nach und nach ihren Code zu knacken. Ich war in die Obhut von Rudi übergeben worden, der sich mir später namentlich als Inspektor Dieselhofer vorstellte. Der Kleine war turnusmäßig in die Kantine gegangen. Weil es wegen mir um seine Brotzeit jedoch schlecht bestellt war, hatte Dieselhofer ihn um eine Portion Leberkäs mit zwei Päckchen süßem Senf und, sofern vorrätig, zwei Maurersemmeln gebeten. Jedenfalls war das Resultat dieser Unterredung, dass ich ihm über zwei große Schreibtische hinweg

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