Schampanninger
die Scheine aus dem Beutel, die ich Mogli abgeknöpft hatte. Julius steckte sie mit feuchten Augen in die Tasche.
– Wenn du dich ausgeweint hast, sprechen wir über Kompensationen, oder glaubst du, dass du ungeschoren davonkommst?
Eine Art Lächeln huschte über Julius’ Gesicht. Ich ging in den Laden und holte eine Liste.
– Das sind meine Preise. Fünfzehn Prozent mehr oder weniger spielen keine Rolle. Kannst du meinen Laden heute machen, ich habe noch eine Menge Klötze am Bein?
Julius nickte.
Ich tackerte sofort los.
27
Babsi versuchte mit forschenden Blicken meine Stimmung zu erkunden, als ich vor ihrer Tür stand. Ich lupfte grüßend meine Mütze.
– Und das Mädel, fragte ich.
– Im Kindergarten.
– Ist auch besser so, sie könnte sonst einen Schock fürs Leben bekommen.
Babsi schaute zunehmend hysterisch. Sie hielt sich am Türpfosten fest.
– Was hast du vor?
Ich schob sie beiseite und ging ins Kinderzimmer. Zuvor hatte ich bereits das Terrain sondiert. Ein potthässlicher, gepflasterter Hinterhof ohne Baum und Strauch, aber mit großen Müllcontainern, ideal für mein Vorhaben.
Mein Prachtstück war in die Ecke geschoben worden. Ich öffnete das Doppelfenster und wuchtete die Liege auf das Sims. Babsi hinter mir begann zu schreien. Sie hatte gemerkt, wohin der Hase lief. In diesem Stadium war mir das vollkommen knödel, ich spürte schon jetzt, dass mir diese Aktion in jeder Hinsicht guttun würde. Ich guckte noch mal hinunter, der Hof war leer, die Tür weit genug entfernt. Mit einem Ruck kippte ich das Ding durch den Auslass, wo es krachend auf dem Pflaster zerschellte. Ich schloss das Fenster und klopfte mir die Hände an der Hose ab.
Babsi stand bleich an der Tür.
– Bist du wahnsinnig? Ich glaube, ich hole die Polizei.
Ich lupfte wieder meine Mütze.
– Gehab dich wohl. Und eines noch …
Ich packte sie am Arm.
– Ruf mich nie wieder an. Nie wieder, verstehst du.
Ich ging in den Hof, klaubte die Bruchteile zusammen und schmiss die Trümmer in den Container. Das Wichtigste war, dass meine Wut entsorgt war, der andere, ebenso große Teil lief als Restmüll und das Rosshaar der Matratze kam in die Biotonne. Da hatte man seine Prinzipien.
Pfeifend verließ ich das Anwesen. Nun war ich für den Anwalt gerüstet.
28
Dr. Emmelmann residierte mit seiner Kanzlei am Prinzregentenplatz ganz oben im Dachgeschoss. Wahrscheinlich konnte man bei klarer Sicht von hier aus sein Chalet in den Bergen sehen und winters, ob der Skilift am Brauneck in Betrieb war. Ohne Termin hier aufzukreuzen war natürlich ein Fauxpas, für den ich mit einer halben Stunde Wartezeit büßen musste. Das Sekretariat bestand aus zwei auffallend knitterfrei-weißblusigen Damen, die in dezenter Präzision nebeneinanderher arbeiteten. Sie beherrschten die Kunst des leisen, dabei überdeutlich artikulierten Sprechens, mit dem sie jedes Wort wie fett gedruckt durch das Telefon schickten. Ihre homöopathische Freundlichkeit konnte aus jedem Problem das Drama ablassen und jeden Berserker zum Lämmchen machen.
Nach einer gehörigen Dosis platzierten sie mich auf einen Lederstuhl. Ich hing dort wie angezählt und blätterte in Magazinen, weil man nicht einfach in die Luft stieren oder ihnen auf die Bluse gucken konnte. Nach einer Weile begann ich mich von oben bis unten zu scannen und kam mir ziemlich schäbig, irgendwie sogar befleckt vor. Wie eine Kellerassel auf einem schneeweißen Wollsiegelteppich. Ich hielt die Zeitung hoch und prüfte, ob ich noch eine Cognac-Restfahne hatte. Bei dieser Gelegenheit stellte ich fest, dass meine Fingerkuppen heftig nach Nikotin stanken. Daher verschwand ich auf der Toilette und versuchte zu retten, was noch zu retten war. Ich wusch mir gründlich die Hände und kämmte mir die Haare zurecht. Als ich öffnete, stand Emmelmann vor mir, und wir gaben uns die Hand. Meine war noch feucht, undman hätte deshalb gerne noch erklärend anfügen wollen, dass das selbstverständlich sauberes Wasser und keine Pisse war, aber damit wäre man endgültig ins Bodenlose gerutscht.
Emmelmann war ein blonder Hüne, wie sie seit Hagen von Tronjes Freveltat gerne für die Heldenrolle eingesetzt werden. Ein Freigeist war er dazu, denn er trug einen lässig dunkelbraunen Anzug und ein rotes Polohemd, dessen Kragen karajanmäßig hochstand. Sollte der Kragen unter Versteifungsstörungen leiden und sich nicht mehr gerade halten können, würde er durch einen Seidenschal weich aufgefangen, den
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