Schande
die Luft gegangen.
Aber heute abend nicht. Sie haben sich ein dickes Fell angeschafft, er und Rosalind, in ihrem Umgang miteinander.
Am darauffolgenden Tag ruft ihn Rosalind an. »David, hast du schon den Argus von heute gesehen?«
»Nein.«
»Nun, dann mach dich auf was gefaßt. Sie bringen einen Beitrag über dich.«
»Was steht darin?«
»Lies es selbst.«
Der Bericht ist auf Seite drei: »Professor wegen sexuellen Mißbrauchs angeklagt« ist die Überschrift. Er überfliegt die ersten Zeilen. »... wird vor eine Disziplinarkomission zitiert auf Grund einer Anklage wegen sexueller Belästigung. CTU äußert sich nicht über den letzten in einer Serie von Skandalen, darunter betrügerische Auszahlung von Stipendien und angebliche Sex-Ringe, die von Studentenheimen aus operieren. Lurie (53), Verfasser eines Buches über den englischen Naturdichter William Wordsworth, war für einen Kommentar nicht erreichbar.«
William Wordsworth (1770–1850), Naturdichter. David Lurie (1945–?), Interpret und unwürdiger Schüler von William Wordsworth. Selig das Kind. So ist es nicht verstoßen in der Welt. Selig das Kind. [6]
6. Kapitel
Die Anhörung findet in einem Versammlungsraum hinter Hakims Büro statt. Er wird hereingebeten und am Ende des Tisches plaziert von Manas Mathabane selbst, Professor der Religionswissenschaft, der den Vorsitz bei dieser Anhörung hat. Links von ihm sitzen Hakim, seine Sekretärin und eine junge Frau, irgendeine Studentin; rechts von ihm sitzen die drei Mitglieder von Mathabanes Ausschuß.
Er ist nicht nervös. Im Gegenteil, er ist selbstsicher.
Sein Herz schlägt ebenmäßig, er hat gut geschlafen. Eitelkeit, denkt er, die gefährliche Eitelkeit des Spielers; Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit. Er geht mit der falschen Einstellung in die Sache hinein. Aber es kümmert ihn nicht.
Er nickt den Mitgliedern des Ausschusses zu. Zwei von ihnen kennt er: Farodia Rassool und Desmond Swarts, Dekan der technischen Fakultät. Das dritte Mitglied unterrichtet nach den Unterlagen vor ihm an der Wirtschaftshochschule.
»Der hier versammelte Ausschuß, Professor Lurie«, sagt Mathabane zur Eröffnung des Verfahrens, »hat keine exekutive Gewalt. Er kann nur Empfehlungen aussprechen.
Sie haben außerdem das Recht, Einspruch gegen seine Zusammensetzung zu erheben. Ich frage Sie also: Gibt es ein Mitglied des Ausschusses, dessen Teilnahme Ihrer Meinung nach wegen Voreingenommenheit Ihnen gegenüber nicht ratsam erscheint?«
»Ich habe keinen Einspruch im rechtlichen Sinn«, erwidert er. »Ich habe Vorbehalte philosophischer Art, aber ich vermute, sie gehören nicht hierher.«
Ein allgemeines Hin- und Herrücken und Füßescharren. »Ich denke, wir sollten uns auf den rechtlichen Sinn beschränken«, sagt Mathabane. »Sie haben keine Einwände gegen die Zusammensetzung des Ausschusses. Haben Sie etwas gegen die Anwesenheit eines studentischen Beobachters von der Koalition Gegen Diskriminierung?«
»Ich habe keine Angst vor dem Ausschuß. Ich habe keine Angst vor dem Beobachter.«
»Gut. Nun zur vorliegenden Sache. Die erste Klägerin ist Frau Melanie Isaacs, eine Studentin im Theaterfach, die eine Aussage gemacht hat, die Sie alle in Kopie vorliegen haben. Muß ich diese Aussage zusammenfassen? Professor Lurie?«
»Verstehe ich richtig, Herr Vorsitzender, daß Frau Isaacs nicht selbst erscheinen wird?«
»Frau Isaacs ist gestern vor dem Ausschuß erschienen.
Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, das ist kein Gerichtsverfahren, sondern eine Anhörung. Unsere Vorgehensweise ist nicht mit der eines Gerichtes identisch. Ist das für Sie ein Problem?«
»Nein.«
»Eine zweite, in Verbindung mit der ersten stehende Anklage«, fährt Mathabane fort, »kommt vom Kanzler, durch das Studentensekretariat, und betrifft die Korrektheit von Frau Isaacs Unterlagen. Der Vorwurf lautet, daß Frau Isaacs nicht alle Seminare besucht, alle Arbeiten abgeliefert oder Tests geschrieben hat, die Sie ihr bestätigt haben.«
»Das ist alles? Das sind die Anklagepunkte?«
»So ist es.«
Er holt tief Luft. »Ich bin mir sicher, daß die Mitglieder dieses Ausschusses Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wissen, als eine Geschichte aufzuwärmen, die unstrittig ist.
Ich bekenne mich schuldig im Sinne beider Anklagepunkte. Fällen Sie das Urteil, und lassen Sie das Leben weitergehen.«
Hakim beugt sich
Weitere Kostenlose Bücher