Schande
den Rektor ausgesprochen hat und der Rektor gehandelt hat, läuft alles so wie gewöhnlich. Frau Isaacs hat sich offiziell von dem Seminar, das sie bei dir belegt hat, abgemeldet, und von dir erwartet man, daß du keinen Kontakt mit ihr aufnimmst.
Habe ich irgend etwas vergessen, Farodia, Elaine?«
Mit zusammengepreßten Lippen schüttelt Dr. Rassool den Kopf.
»Diese Belästigungsgeschichten sind immer kompliziert, David, kompliziert und bedauerlich, aber wir halten unser Verfahren für gut und gerecht, deshalb werden wir ihm einfach Schritt für Schritt folgen, wie es vorgeschrieben ist. Ich schlage dir vor, daß du dich mit dem Verfahren vertraut machst und dich juristisch beraten läßt.«
Er will etwas erwidern, doch Hakim hebt eine warnende Hand. »Schlaf drüber, David«, sagt er.
Jetzt reicht es ihm. »Sag mir nicht, was ich tun soll, ich bin kein Kind.«
Wütend verläßt er das Zimmer. Aber das Gebäude ist abgeschlossen, und der Pförtner ist nach Hause gegangen.
Der Hinterausgang ist auch zugeschlossen. Hakim muß ihn hinauslassen.
Es regnet. »Komm mit unter meinen Schirm«, sagt Hakim; dann, an seinem Auto: »Ich möchte dir persönlich sagen, David, daß du mein ganzes Mitgefühl hast.
Wirklich. Diese Geschichten können einem das Leben zur Hölle machen.«
Er kennt Hakim schon viele Jahre lang, früher – in seiner Tenniszeit – haben sie zusammen Tennis gespielt, aber jetzt ist er nicht in der Stimmung für männliche Kameraderie. Er zuckt genervt mit den Schultern und steigt in sein Auto.
Der Fall soll vertraulich behandelt werden, aber natürlich wird das nicht eingehalten, natürlich redet man.
Warum sonst verstummt das Geplauder, wenn er das Dozentenzimmer betritt, warum sonst stellt eine jüngere Kollegin, mit der er bisher ein durchaus freundliches Verhältnis hatte, ihre Teetasse hin und geht fort und schaut im Vorbeigehen durch ihn hindurch? Warum erscheinen nur zwei Studenten zum ersten Baudelaire-Seminar?
Die Gerüchteküche, denkt er, die Tag und Nacht brodelt und den Ruf von Menschen vernichtet. Die Gemeinschaft der Gerechten hält ihre Sitzungen in Winkeln ab, verständigt sich per Telefon, hinter verschlossenen Türen.
Hämisches Geflüster. Schadenfreude. Zuerst das Urteil, dann der Prozeß.
Er legt großen Wert darauf, daß er in den Korridoren der Universitätsgebäude mit hoch erhobenem Haupt geht.
Er spricht mit dem Rechtsanwalt, der ihn bei seiner Scheidung vertreten hat. »Zunächst wollen wir klären«, sagt der Rechtsanwalt, »wie berechtigt sind denn die Vorwürfe?«
»Durchaus berechtigt. Ich hatte eine Affäre mit der jungen Frau.«
»War es etwas Ernstes?«
»Wenn es etwas Ernstes war, wird es dadurch besser oder schlimmer? Ab einem gewissen Alter sind alle Affären ernst. Wie Herzanfälle.«
»Aus taktischen Erwägungen heraus würde ich Ihnen vorschlagen, eine Frau mit Ihrer Vertretung zu beauftragen.« Er nennt zwei Namen. »Streben Sie einen privaten Vergleich an. Sie verpflichten sich zu etwas, vielleicht lassen Sie sich für gewisse Zeit beurlauben, und im Gegenzug überredet die Universität die junge Frau oder ihre Familie, die Anklage fallen zu lassen. Das ist das Beste, was Sie hoffen können. Akzeptieren Sie eine Verwarnung.
Halten Sie den Schaden so gering wie möglich, warten Sie, bis der Skandal verflogen ist.«
»Wozu soll ich mich verpflichten?«
»Zu Sensibilisierungskursen, gemeinnütziger Arbeit, sozialer Beratung. Was Sie aushandeln können.«
»Soziale Beratung? Ich habe Beratung nötig?«
»Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will nur sagen, daß unter den Möglichkeiten, die Ihnen angeboten werden, auch soziale Beratung sein könnte.«
»Um mich wieder in Ordnung zu bringen? Mich zu heilen? Um mich von unangemessenen Bedürfnissen zu heilen?«
Der Rechtsanwalt zuckt mit den Schultern. »So ähnlich.«
Im Campus findet gerade eine Aktionswoche gegen Vergewaltigung statt. Women Against Rape (Frauen gegen Vergewaltigung), WAR, organisiert eine vierundzwanzigstündige Mahnwache als Akt der Solidarität mit den »Opfern der jüngsten Zeit«. Ein Flugblatt wird unter seiner Tür durchgeschoben: »FRAUEN ERHEBEN IHRE STIMME«. Mit Bleistift ist unten darauf eine Botschaft gekritzelt: »DEINE TAGE SIND VORBEI, CASANOVA.«
Er geht mit Rosalind, seiner Ex-Frau, essen. Sie sind seit acht Jahren geschieden; langsam,
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