Schande
zu Mathabane hinüber. Sie sprechen leise miteinander.
»Professor Lurie«, sagt Hakim, »ich muß wiederholen, das ist ein Untersuchungsausschuß. Seine Aufgabe ist, beide Seiten in dem Fall zu hören und eine Empfehlung auszusprechen. Er hat keine Vollmacht, Entscheidungen zu fällen. Ich frage noch einmal, wäre es nicht besser, wenn Sie sich von jemandem vertreten ließen, der unsere Vorgehensweise kennt?«
»Ich brauche keine Vertretung. Ich kann meine Sache sehr gut selbst vertreten. Verstehe ich richtig, daß wir trotz meines Geständnisses mit der Anhörung fortfahren müssen?«
»Wir wollen Ihnen die Möglichkeit geben, Ihren Standpunkt darzulegen.«
»Ich habe meinen Standpunkt dargelegt. Ich bin schuldig.«
»Schuldig in welchem Sinne?«
»Schuldig im Sinne der Anklage.«
»Wir bewegen uns im Kreis, Professor Lurie.«
»Schuldig all dessen, was Frau Isaacs behauptet, und schuldig, falsche Angaben gemacht zu haben.«
Jetzt schaltet sich Farodia Rassool ein. »Sie sagen, daß Sie Frau Isaacs Aussage bestätigen, Professor Lurie, aber haben Sie sie wirklich gelesen?«
»Ich möchte Frau Isaacs Aussage nicht lesen. Ich bestätige sie. Ich wüßte nicht, warum Frau Isaacs lügen sollte.«
»Aber wäre es nicht klüger, die Aussage wirklich zu lesen, bevor man sie bestätigt?«
»Nein. Es gibt Wichtigeres im Leben, als sich klug zu verhalten.«
Farodia Rassool lehnt sich zurück. »Das ist alles sehr edelmütig, Professor Lurie, aber können Sie sich das leisten? Mir scheint, wir haben die Pflicht, Sie vor sich selbst zu beschützen.« Sie lächelt Hakim frostig an.
»Sie sagen, daß Sie keinen juristischen Rat eingeholt haben. Haben Sie sonst jemanden konsultiert – einen Priester, zum Beispiel, oder einen Berater? Wären Sie bereit, eine Beratungsstelle aufzusuchen?«
Die Frage kommt von der jungen Frau von der Wirtschaftshochschule. Er spürt, wie er wütend wird. »Nein, ich habe keine Beratungsstelle aufgesucht, und ich beabsichtige das auch nicht. Ich bin ein erwachsener Mann. Ich bin für Beratung nicht zugänglich. Für mich kommt Beratung zu spät.« Er wendet sich an Mathabane. »Ich habe mein Geständnis abgelegt. Gibt es irgendeinen Grund, weshalb diese Debatte weitergehen sollte?«
Flüsternd besprechen sich Mathabane und Hakim.
»Es wurde vorgeschlagen«, sagt Mathabane, »daß sich der Ausschuß zurückzieht, um Professor Luries Aussage zu diskutieren.«
Ringsum Nicken.
»Professor Lurie, dürfte ich Sie bitten, einen Moment draußen zu warten, Sie und Frau van Wyk, während wir uns beraten?«
Er zieht sich gemeinsam mit der studentischen Beobachterin in Hakims Büro zurück. Zwischen ihnen fällt kein Wort; ganz offensichtlich ist das Mädchen verlegen.
»DEINE TAGE SIND VORBEI, CASANOVA.« Was hält sie jetzt beim persönlichen Zusammentreffen von Casanova?
Sie werden wieder hineingerufen. Die Atmosphäre im Raum ist nicht gut – säuerlich, scheint ihm.
»Also«, sagt Mathabane, »um die Sache wiederaufzunehmen: Professor Lurie, Sie akzeptieren, daß die gegen Sie vorgebrachten Anklagepunkte der Wahrheit entsprechen?«
»Ich akzeptiere alles, was Frau Isaacs vorgebracht hat.«
»Dr. Rassool, Sie möchten etwas sagen?«
»Ja. Ich möchte einen Einwand gegen diese Antworten von Professor Lurie vorbringen, die ich für im Grunde genommen ausweichend ansehe. Professor Lurie sagt, er akzeptiert die Anklagepunkte. Aber wenn wir ihn darauf festzunageln versuchen, was er nun wirklich akzeptiert, bekommen wir nur subtilen Spott. Das deutet für mich darauf hin, daß er die Anklagepunkte nur pro forma akzeptiert. Bei einem Fall mit derartigen Untertönen hat die Öffentlichkeit das Recht...«
Das kann er nicht durchgehen lassen. »Hier gibt es keine Untertöne«, faucht er sie an.
»Hat die Öffentlichkeit das Recht zu erfahren«, fährt sie fort und hebt ihre Stimme mit geübter Leichtigkeit und schneidet ihm das Wort ab, »was im einzelnen Professor Lurie zugibt und wofür er demzufolge disziplinarisch zur Verantwortung gezogen wird.«
Mathabane: »Wenn er zur Verantwortung gezogen wird.«
»Wenn er zur Verantwortung gezogen wird. Wir erfüllen unsere Pflicht nicht, wenn wir uns nicht völlig im klaren sind und wenn wir in unseren Empfehlungen nicht glasklar zum Ausdruck bringen, wofür Professor Lurie disziplinarisch zur Verantwortung gezogen wird.«
»Ich glaube,
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