Schande
Tut mir leid. Ich hätte nie gedacht, daß ich einmal so reden würde.«
»Gott geht verschlungene Wege, David.«
»Mach dich nicht lustig über mich.«
Der Samstag droht, Markttag. »Sollen wir den Stand aufbauen?« fragt er Lucy. Sie zuckt mit den Schultern. »Entscheide du«, sagt sie. Er baut den Stand nicht auf.
Er stellt ihr keine weiteren Fragen; eigentlich ist er erleichtert.
Die Vorbereitungen zu Petrus’ Festivitäten beginnen Samstag mittag mit dem Eintreffen eines Trupps von Frauen, sechs an der Zahl, herausgeputzt wie zum Kirchgang, scheint ihm. Hinter dem Stall entfachen sie ein Feuer. Bald bringt der Wind den Gestank von kochenden Innereien, woraus er schließt, daß die Tat getan ist, die doppelte Tat, daß alles vorbei ist.
Sollte er trauern? Ist es angemessen, den Tod von Wesen zu betrauern, die selbst keine Trauer kennen?
Wenn er sein Herz befragt, stellt er nur eine dumpfe Traurigkeit fest.
Zu dicht beieinander, denkt er; wir leben zu dicht bei Petrus. Es ist, als teilte man ein Haus mit Fremden, teilte die Geräusche, die Gerüche.
Er klopft an Lucys Tür. »Möchtest du mit spazierengehen?« fragt er.
»Danke, nein. Nimm Katy mit.«
Er holt die Bulldogge, aber sie ist so langsam und träge, daß er ungeduldig wird, sie zurück zur Farm jagt und sich allein auf einen Rundweg von acht Kilometern macht. Er geht schnell und versucht, sich müde zu laufen.
Ab fünf treffen die Gäste ein, mit dem Auto, mit dem Taxi, zu Fuß. Er steht hinter der Küchengardine und schaut zu. Die meisten sind aus der Generation ihres Gastgebers, gesetzt, solide. Eine alte Frau wird mit besonderem Aufwand bedacht; in seinem blauen Anzug und dem leuchtend rosa Hemd geht ihr Petrus den ganzen Pfad entgegen, um sie zu begrüßen.
Es ist schon dunkel, bevor die jüngeren Leute auftauchen.
Gesprächsfetzen, Gelächter und Musik wehen herüber, Musik, die ihn an das Johannesburg seiner Jugend erinnern. Ganz passabel, denkt er bei sich – sogar ganz lustig.
»Dann wollen wir mal«, sagt Lucy. »Kommst du mit?«
Entgegen ihrer Gewohnheit trägt sie ein knielanges Kleid und Schuhe mit hohen Absätzen, dazu eine Halskette aus bemalten Holzperlen und passende Ohrringe. Er weiß nicht so recht, ob ihm die Wirkung gefällt.
»Gut, ich komme mit. Ich bin fertig«, sagt er.
»Hast du keinen Anzug hier?«
»Nein.«
»Dann binde wenigstens eine Krawatte um.«
»Ich dachte, wir sind auf dem Land.«
»Um so wichtiger ist es, sich fein zu machen. Das ist ein großer Tag in Petrus’ Leben.«
Sie hat eine winzige Taschenlampe in der Hand. Sie gehen auf dem Pfad zu Petrus’ Haus hinüber, Vater und Tochter Arm in Arm, sie leuchtet auf den Weg, er trägt die Gabe, die sie mitbringen.
An der offenen Tür bleiben sie stehen, lächeln. Petrus ist nirgends zu sehen, aber ein kleines Mädchen im Festtagskleid kommt zu ihnen herüber und führt sie herein.
Der alte Stall hat keine Decke und keinen richtigen Fußboden, aber er ist wenigstens geräumig und hat immerhin elektrisches Licht. Lampen mit Schirmen und Bilder an der Wand (van Goghs Sonnenblumen, eine Dame in Blau von Tretchikoff, Jane Fonda in ihrem Barbarella-Kostüm, Doktor Khumalo, ein Tor schießend) mildern die Kahlheit.
Sie sind die einzigen Weißen. Man tanzt zu dem altmodischen afrikanischen Jazz, den er gehört hat. Neugierige Blicke werden ihnen zugeworfen, oder vielleicht gelten sie nur seinem Kopfverband.
Lucy kennt einige der Frauen. Sie fängt an, sie vorzustellen. Dann kommt Petrus zu ihnen. Er spielt nicht den eifrigen Gastgeber, bietet ihnen nichts zu trinken an, aber er sagt: »Keine Hunde mehr. Ich bin nicht mehr der Hunde-Mann«, was Lucy als Scherz aufzufassen beliebt; und so ist alles in Ordnung, scheint es.
»Wir haben dir etwas mitgebracht«, sagt Lucy; »aber vielleicht sollten wir es deiner Frau geben. Es ist für das Haus.«
Aus dem Küchenbereich, wenn man das so nennen kann, ruft Petrus seine Frau herbei. Jetzt sieht er sie zum ersten Mal aus der Nähe. Sie ist jung – jünger als Lucy, eher nett anzuschauen als hübsch, schüchtern, unübersehbar schwanger. Sie gibt Lucy die Hand, aber ihm nicht, und sie sieht ihn auch nicht an.
Lucy sagt ein paar Worte auf Xhosa und reicht ihr das Päckchen. Inzwischen steht ein halbes Dutzend Zuschauer um sie herum.
»Sie muß es auswickeln«, sagt
Weitere Kostenlose Bücher