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Schande

Schande

Titel: Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Coetzee
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mich sieht er wie achtzehn aus, er wirkt älter als achtzehn.«
       
     
      »Ich weiß. Ich weiß! Er ist nur ein Jugendlicher, er kann nicht ins Gefängnis, das ist Gesetz, man kann einen Jugendlichen nicht ins Gefängnis stecken, man muß ihn laufenlassen!«
      Für Petrus scheint damit die Sache geklärt. Er läßt sich schwer auf ein Knie nieder und fängt an, das Verbindungsstück auf das Abflußrohr zu schieben.
      »Petrus, meine Tochter will eine gute Nachbarin sein – eine gute Bürgerin und eine gute Nachbarin. Sie liebt die Provinz Ost-Kap. Sie möchte hier leben, sie möchte mit jedem gut auskommen. Aber wie kann sie das, wenn sie jeden Moment damit rechnen muß, von Schurken überfallen zu werden, die dann ungestraft davonkommen?
      Bestimmt begreifen Sie das!«
      Petrus bemüht sich angestrengt darum, das Verbindungsstück zu montieren. Die Haut auf seinen Händen weist tiefe derbe Risse auf; er laßt bei der Arbeit leise Grunzer hören; nichts deutet daraufhin, daß er überhaupt etwas gehört hat.
      »Lucy ist hier sicher«, verkündet er plötzlich. »Es ist gut. Sie können Sie hierlassen, sie ist sicher.«
      »Aber sie ist nicht sicher, Petrus! Sie ist auf keinen Fall sicher! Sie wissen, was hier am Einundzwanzigsten passiert ist.«
      »Ja, ich weiß, was passiert ist. Aber jetzt ist es gut.«
      »Wer sagt, daß es gut ist?«
      »Ich sage es.«
      »Sie sagen es? Sie werden sie beschützen?«
      »Ich werde sie beschützen.«
      »Das letzte Mal haben Sie Lucy nicht beschützt.«
      Petrus schmiert das Rohr mit mehr Fett ein.
      »Sie behaupten, Sie wüßten, was passiert ist, aber Sie haben Lucy das letzte Mal nicht beschützt«, wiederholt er.
      »Sie sind fortgefahren, und dann sind diese drei Schurken aufgetaucht, und jetzt scheint es so, als ob Sie mit einem von ihnen befreundet sind. Was soll ich daraus schließen?«
      Damit ist er sehr nahe daran, Petrus zu bezichtigen.
      Aber warum auch nicht?
      »Der Junge hat keine Schuld«, sagt Petrus. »Er ist kein Verbrecher. Er ist kein Dieb.«
      »Ich spreche nicht nur von Diebstahl. Es gab noch ein anderes Verbrechen. Sie sagen, Sie wüßten, was passiert ist. Sie müssen wissen, was ich meine.«
      »Er hat keine Schuld. Er ist zu jung. Es ist nur ein großer Fehler.«
      »Das wissen Sie?«
      »Ich weiß es.« Das Rohr steckt fest. Petrus legt die Schelle darum, zieht sie fest, steht auf, streckt sich. »Ich weiß es. Ich sage es Ihnen. Ich weiß es.«
      »Sie wissen es. Sie kennen die Zukunft. Was kann ich dazu sagen? Sie haben gesprochen. Brauchen Sie mich hier noch?«
      »Nein, jetzt ist es leicht, jetzt muß ich nur noch die Rohrleitung unter die Erde bringen.«
       
     
      Trotz Petrus’ Vertrauen in die Versicherungsbranche gibt es in seiner Schadenssache keine Bewegung. Ohne Auto fühlt er sich auf der Farm gefangen.
      An einem seiner Nachmittage in der Tierklinik schüttet er Bev Shaw sein Herz aus. »Lucy und ich kommen nicht gut miteinander aus«, sagt er. »Daran ist nichts Bemerkenswertes, schätze ich. Eltern und Kinder sind nicht zum Zusammenleben geschaffen. Unter normalen Umständen wäre ich inzwischen ausgezogen, nach Kapstadt zurückgekehrt. Aber ich kann Lucy auf der Farm nicht allein lassen. Sie ist nicht sicher. Ich versuche, sie zu überreden, die Geschäfte an Petrus zu übergeben und Urlaub zu machen. Aber sie will nicht auf mich hören.«
      »Man muß seine Kinder loslassen, David. Du kannst Lucy nicht ewig beschützen.«
      »Ich habe Lucy schon vor langer Zeit losgelassen. Ich bin als Vater äußerst wenig fürsorglich gewesen. Aber die gegenwärtige Situation ist anders. Lucy ist objektiv in Gefahr. Das hat man uns gezeigt.«
      »Es wird gutgehen. Petrus wird sie unter seine Fittiche nehmen.«
      »Petrus? Welches Interesse hat Petrus daran, sie unter seine Fittiche zu nehmen?«
      »Sie unterschätzen Petrus. Petrus hat geschuftet, um den Gemüseanbau für Lucy in Gang zu bringen. Ohne Petrus wäre Lucy jetzt nicht, wo sie ist. Ich behaupte nicht, daß sie ihm alles verdankt, aber sie verdankt ihm viel.«
      »Schon möglich. Die Frage ist, was schuldet Petrus ihr?«
      »Petrus ist ein guter Kerl. Man kann sich auf ihn verlassen.«
      »Auf Petrus verlassen? Weil Petrus einen Bart hat und Pfeife raucht und einen Stock bei sich hat, glauben Sie, Petrus sei ein Kaffer vom alten Schlag. Aber das stimmt überhaupt nicht. Petrus ist kein Kaffer vom alten Schlag,

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