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Schande

Schande

Titel: Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Coetzee
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Lügen mehr. Meine Leute. Eine Antwort, so unverblümt, wie er sie sich nur wünschen kann. Nun gut, Lucy gehört zu seinen Leuten.
       
     
      »Sie sagen, es ist schlecht, was geschehen ist«, fährt Petrus fort. »Ich sage auch, es ist schlecht. Es ist schlecht.
      Aber es ist erledigt.« Er nimmt die Pfeife aus dem Mund, sticht heftig mit dem Stiel in die Luft. »Es ist erledigt.«
      »Es ist nicht erledigt. Tun Sie nicht so, als wüßten Sie nicht, was ich meine. Es ist nicht erledigt. Im Gegenteil, es fängt gerade erst an. Es wird weitergehen, wenn ich schon lange tot bin und Sie tot sind.«
      Petrus starrt nachdenklich vor sich hin und tut nicht so, als verstünde er nicht. »Er wird sie heiraten«, sagt er schließlich. »Er wird Lucy heiraten, aber er ist zu jung, zu jung, um zu heiraten. Er ist noch ein Kind.«
      »Ein gefährliches Kind. Ein junger Ganove. Ein Kumpan von Verbrechern.«
      Petrus wischt die Beleidigungen fort. »Ja, er ist zu jung, zu jung. Vielleicht kann er einmal heiraten, aber nicht jetzt. Ich werde heiraten.«
      »Sie werden wen heiraten?«
      »Ich werde Lucy heiraten.«
      Er traut seinen Ohren nicht. Das ist es also, deswegen die ganze Spiegelfechterei – für diesen Antrag, diesen Schlag! Und hier steht Petrus unerschütterlich, pafft seine leere Pfeife und wartet auf eine Antwort.
      »Sie werden Lucy heiraten«, sagt er vorsichtig. »Erklären Sie mir, wie Sie das meinen. Nein, warten Sie, erklären Sie lieber nichts. Ich möchte das lieber nicht hören.
      Das ist bei uns nicht üblich.«
      Bei uns – er ist drauf und dran zu sagen: Bei uns Weißen.
      »Ja, ich verstehe, ich verstehe«, sagt Petrus. Er kichert richtig in sich hinein. »Aber ich sage es Ihnen, dann sagen Sie es Lucy. Dann ist sie vorbei, die ganze schlechte Sache.«
       
     
      »Lucy will nicht heiraten. Will keinen Mann heiraten.
      Das ist keine Möglichkeit, die sie in Betracht ziehen wird.
      Ich kann nicht deutlicher werden. Sie möchte ihr eigenes Leben fuhren.«
      »Ja, ich weiß«, sagt Petrus. Und vielleicht weiß er ja wirklich Bescheid. Er wäre töricht, wenn er Petrus unterschätzen würde. »Aber hier«, sagt Petrus, »ist es gefährlich, zu gefährlich. Eine Frau muß verheiratet sein.«
       
     
      »Ich habe versucht, es herunterzuspielen«, sagte er Lucy später. »Obwohl ich meinen Ohren kaum trauen wollte.
      Es war die reine, nackte Erpressung.«
      »Es war keine Erpressung. Da täuschst du dich. Hoffentlich hast du nicht die Beherrschung verloren.«
      »Nein, ich habe nicht die Beherrschung verloren. Ich habe gesagt, daß ich sein Angebot übermitteln werde, das ist alles. Ich habe gesagt, ich bezweifelte, daß du interessiert sein würdest.«
      »Warst du beleidigt?«
      »Beleidigt über die Aussicht, Petrus’ Schwiegervater zu werden? Nein. Ich war überrascht, erstaunt, verblüfft, aber nein, beleidigt war ich nicht, das mußt du mir glauben.«
      »Weil das nicht das erstemal ist, muß ich dir sagen.
      Petrus hat schon seit einiger Zeit Andeutungen gemacht.
      Daß es für mich insgesamt sicherer wäre, wenn ich Teil seines Familienverbands würde. Das ist kein Scherz und keine Drohung. In gewisser Weise meint er es ernst.«
      »Ich bezweifle nicht, daß er es in gewissem Sinne ernst meint. Die Frage ist, in welchem Sinn? Weiß er denn, daß du ...? «
      »Du meinst, ob er meinen Zustand kennt? Ich habe es ihm nicht gesagt. Aber bestimmt haben seine Frau und er zwei und zwei zusammengezählt.«
      »Und das bringt ihn nicht von seinem Entschluß ab?«
      »Warum denn? Das macht mich doch umso mehr zu einem Teil seiner Familie. Jedenfalls ist er nicht hinter mir her, er ist hinter der Farm her. Die Farm ist meine Mitgift.«
      »Aber das ist grotesk, Lucy! Er ist schon verheiratet! Du hast mir doch erzählt, daß zwei Ehefrauen existieren. Wie kannst du auch nur einen Gedanken daran verschwenden?«
      »Ich glaube nicht, daß du begreifst, worum es eigentlich geht, David. Petrus bietet mir keine kirchliche Trauung an, gefolgt von Flitterwochen an der Wild Coast. Er bietet mir ein Bündnis an, ein Geschäft. Ich bringe das Land ein, dafür darf ich mich unter seinen Schutz begeben. Er will mich darauf hinweisen, daß ich sonst ohne Schutz bin, Freiwild.«
      »Und das ist keine Erpressung? Wie steht es mit dem Persönlichen? Spielt bei dem Angebot das Persönliche keine Rolle?«
      »Willst du damit fragen, ob Petrus von mir

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