Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schandtat

Titel: Schandtat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
Poloshirt am Leib und einem Golfschläger
in der Hand geboren, aber der Arzt hat versehentlich auf den falschen Knopf gedrückt, und dadurch wurde mein kognitives Denkvermögen angekurbelt. Das sieht man hier gar nicht gern, doch da mein Dad der Bürgermeister ist, lassen sie mich in Ruhe. Unsichtbar eben. Und wenn du dich zu lange in meiner Nähe aufhältst, wirst du ebenfalls unsichtbar. Das ist eigentlich gar nicht so schlecht, aber die Leute neigen dazu, mit einem zusammenzustoßen.«
    Ich lächelte. Der Gedanke, unsichtbar zu sein, gefiel mir recht gut. »Hast du was, woran ich mich festhalten kann?«
    »Lieber nicht. Wir wollen doch nicht, dass jemand glaubt, ich hätte tatsächlich so was wie ein Leben.«
    »Du Armer.«
    »Eigentlich nicht. Ich bin Experte darin, aus Limonade Zitronen zu machen.«
    »Das ist doch verkehrt rum.«
    Er sah mich an, dann zur Tür. Der Lehrer kam herein. »Nein, ist es nicht. Ich kann alles Süße sauer werden lassen. Das gehört eben zum Fluch dazu.«

SECHS
    Mein Status als neue Schülerin hatte sich bis zur dritten Stunde bereits abgenutzt. Ich war schon öfter die Neue gewesen, und das Mustern, die Blicke, das Gekicher, die getuschelten Bemerkungen und förmlichen Vorstellungen durch die Lehrer vor der Klasse waren schon nach fünf Sekunden total langweilig. Obwohl die Benders High mehr als den üblichen Prozentsatz an Klonen aufwies, musste ich zu meiner Enttäuschung feststellen, dass diese Schule so ziemlich genau wie jede andere Schule war, die ich besucht hatte. Das hätte mich eigentlich auch nicht überraschen sollen. Schule war wie McDonalds. Ein Big Mac in Tulsa schmeckte genauso wie einer in Seattle, und dafür gab es einen Grund.
    Doch die dritte Stunde, »Aktuelles Zeitgeschehen«, stellte eine Ausnahme zu der sonst üblichen institutionalisierten Indoktrination dar. Kein Sitzplan. Es herrschte freie Platzwahl. Ich wusste, dass der Lehrer damit ein großes Risiko einging. Denn erfahrungsgemäß neigen die Leute dazu, ziellos umherzuwandern, wenn sie selbst eine Entscheidung treffen müssen, und ich vermutete, dass sich die halbe Klasse bei der Entscheidungsfindung verausgaben würde. Theo war ebenfalls in diesem Kurs, und als er hereinkam, ließ er sich neben mir auf einen Stuhl in der hintersten Reihe fallen. Dann schob er sich ein Kaugummi in den Mund - er konnte sogar sarkastisch Kaugummi kauen. »Willst du auch eins?«
    Ich nickte und nahm eins. »Danke.«
    Er fläzte sich auf seinem Stuhl, gelangweilt von der Welt. »Fühlst du dich wohl mit all den neuen Schafhirten?«
    »So schlimm kann es hier doch nicht sein.«
    »Ist es auch nicht. Zumindest für mich. Ich versuche nur, alles so negativ und deprimierend zu sehen wie irgend möglich. Das ist zwar manchmal hart, aber hey, es ist ein Job.«
    »Dein Job?«
    »Ja, Ma’am. Meine Mutter hat seit siebzehn Jahren nicht aufgehört zu lächeln. Sie ist eines Morgens aufgewacht, und ihr Gesicht war erstarrt. Hast du jemals mit jemandem zusammengelebt, der so glücklich war, dass du am liebsten deine eigene Kotze gefressen hättest? Nicht mal mein Dad kann so viel Sonnenschein ertragen, und dabei ist er der aufdringlichste Umarmer und Händeschüttler, den ich kenne.«
    Ich lachte.
    Er nickte. »Das ist mein voller Ernst. Wenn ich ihr erzählen würde, dass ich vorhätte, mir die Pulsadern bis zu den Ellbogen aufzuschlitzen, Batteriesäure zu trinken und mit dem Wagen gegen eine Mauer zu fahren, würde sie mir einen schönen Tag wünschen und sagen, ich solle mich anschnallen und ein paar Liter Milch besorgen, wenn ich fertig sei. Die Realität und meine Mutter harmonieren einfach nicht so richtig miteinander. Da muss ich für den nötigen Ausgleich sorgen.«
    »Klingt ziemlich schräg.« Ich schaute zur Tür, und Velveeta kam herein.
    »Nein«, meinte er und streckte die Hand aus. » Das da ist schräg.«
    »Er wohnt bei uns gleich nebenan.«

    »Ich weiß.«
    Da hatte ich wohl ganz vergessen, wie klein diese Stadt doch war. »Er ist nett.« Ich beobachtete, wie Velveeta am Eingang stehen blieb und sich im Klassenzimmer umschaute. Sein Blick verharrte jedoch nicht auf mir. Er blieb an einem Jungen in der vordersten Reihe in der Nähe der Fenster hängen. Ihre Blicke trafen sich. Dann marschierte Velveeta schnurstracks zu dem Platz, der am weitesten von diesem Typen entfernt war, und setzte sich hin. Der andere Junge schüttelte nur schmunzelnd den Kopf.
    »Er ist so einiges.«
    Ich sah Theo an und konnte keinen

Weitere Kostenlose Bücher