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Schandtat

Titel: Schandtat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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wenn man Sie verspottet? Als würden Sie am liebsten in Ihr Zimmer laufen? Einfach verschwinden? Sich vor der Welt verstecken, weil Sie sich dem Problem nicht stellen wollen?«
    »Nein.«
    Mr Halvorson schürzte die Lippen. »Und warum gehen Sie dann in Ihr Zimmer?«
    Karls total ausdruckslose Stimme brachte den Raum zum Schweigen. »Weil da niemand ist.«

    Mr Halvorson nickte. »Sie gehen in Ihr Zimmer, weil niemand dort ist. Bedeutet das denn nicht, dass Sie vor dem Problem weglaufen?«
    »Vielleicht.«
    »Wünschten Sie, es wäre anders? Dass Sie sich nicht so fühlten, als müssten Sie weglaufen?«
    »Ja.«
    Mr Halvorson nickte lächelnd. »Was würden Sie stattdessen lieber tun?«
    »Sie umbringen.«
    Mr Halvorson holte tief Luft, dann fuhr er fort. »Auch wenn dieser Wunsch mitunter vielleicht verständlich sein mag, meinen Sie nicht, dass das ein wenig zu drastisch ist?«
    »Nein.«
    Mr Halvorson räusperte sich - vielleicht hatte er tatsächlich geglaubt, hier ginge es heute um die Gefahren eines Tänzchens auf einer Wiese voller Gänseblümchen. »Meinen Sie nicht, Sie könnten auch etwas anderes tun, um die Situation zu verbessern? Vielleicht mit einem Lehrer oder Ihren Eltern reden? Oder mit Ihrem Therapeuten?«
    Er durchbohrte Mr Halvorson mit einem Blick, der genauso ausdruckslos war wie seine Stimme. »Seit zwei Jahren geh ich zur Therapie. Mit Mr Holly hab ich schon gesprochen. Meine Eltern auch.«
    Er nickte. »Sehr gut, denn genau dafür haben wir eine derartige Anlaufstelle. Um Ihnen zu helfen.« Mr Halvorsons Körperhaltung verriet deutlich seine Erleichterung darüber, nichts mit diesem Kind zu tun haben zu müssen. Er wandte sich wieder an die Gruppe. »Hat irgendjemand eine Idee,
was wir tun können, um die Situation für Karl zu verbessern? Oder vielleicht etwas, das er selbst tun kann?«
    Ich starrte Mr Halvorson einen Moment lang an, überlegte kurz und hob dann die Hand. »Warum sprechen wir zur Abwechslung nicht mal darüber, warum Sie ihnen erlauben, all das zu tun?«
    Mr Halvorson runzelte die Stirn. »Ihnen erlauben?«
    »Ja, klar. Sie erzählen uns, dass wir mit den Wichsern umgehen und ihnen Verständnis entgegenbringen müssen und so’n Scheiß, aber diese Wichser brauchen überhaupt nichts zu tun.«
    Mr Halvorson blinzelte. »Wir können diese Veranstaltung durchaus in zivilisierter Form abhalten, Ms Holly. Ihre Ausdrucksweise …«
    Ich rollte mit den Augen. »Sie haben gerade einen Jungen einfach so abgespeist, der Ihnen gesagt hat, er würde am liebsten ein paar Leute umbringen, und Sie wollen tatsächlich über meine Ausdrucksweise reden?« Ich tippte mir mit dem Finger ans Kinn. »Ach, ich versteh schon. Wir können sagen, was immer wir wollen, aber nur solange es hübsch klingt, richtig?«
    Er funkelte mich an. »Wir sind hier, um Probleme zu lösen, Poe, und wenn Sie das nicht wollen, dürfen Sie gern gehen. Sie schweifen vom Thema ab.«
    »Ich schweife von Ihrem Thema ab, Mr Halvorson.«
    »Mir geht es darum, Probleme auf eine Art und Weise zu lösen, die es Ihnen ermöglichen wird, sich selbst zu helfen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Welche Probleme sollen denn gelöst werden? Ihre oder unsere?« Ich zeigte auf Karl. »Er hat Ihnen gerade erzählt, dass er Leute umbringen will, und Sie
fragen nach Vorschlägen, wie er sein Denken verändern kann? Ich finde nicht, dass Karl was ändern muss, Mr Halvorson. Ich denke, das müssen Sie tun.«
    Mein Dad stand auf, erlöste einen fassungslosen Mr Halvorson. Theo kicherte, dann tätschelte er mein Knie, und Dad verschränkte die Arme vor der Brust. »Du glaubst also, es sei einzig und allein die Aufgabe anderer Leute, deine Probleme zu lösen, Poe?«
    Ich schüttelte den Kopf. Das war der krönende Abschluss aller Gespräche, die wir bisher geführt hatten. Alles wurde zu einem dicken, schleimigen Brei zusammengerührt. »Darum geht’s doch gar nicht. Das hier ist schließlich nicht das richtige ›Leben‹, sondern die Schule. Wir sind hier gefangen, und ihr kontrolliert uns. Ihr macht die Regeln.«
    »Worum geht es dann? Worauf willst du hinaus?«
    »Der Punkt ist, dass ihr ganz plötzlich ein Problem habt, und das ist auch genau der Grund, warum wir hier sind. Nicht etwa weil wir ein Problem haben.« Ich schüttelte den Kopf. »Aber wenn die Benders Highschool ein Problem hat, steht Mr Halvorson auf und erzählt uns, dass wir es für die Schule lösen müssen, dann setzt er uns auch noch einen Haufen Scheiße vor, wie normal

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