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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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in Hamburg ein neues Leben angefangen, auch wenn er gerade an seinen Fähigkeiten als Prokurator zweifelte. Er hatte trotz seiner ihm eher unangenehmen Kollegen neue Freunde gefunden und sogar – wenn er sich denn traute, ganz tief in sich hineinzuhorchen – eine neue Liebe. Das durfte er nicht alles aufs Spiel setzen, nur weil sein Blut wegen alter Verletzungen in Wallung geriet. Sonst erginge es ihm wohlmöglich nicht viel besser alsBunk, die für ihre Rache augenscheinlich sogar bereit war, ihr Leben zu geben.
    »Was können wir denn jetzt weiter tun? Habt Ihr eine Idee, Herr Abelson?«
    »Zuerst einmal genießen wir in aller Ruhe Ruths wunderbaren Braten. An Chanukka wird nicht gearbeitet, solange die Kerzen der Menora brennen.« Abelson erhob sein Glas Rotwein. »Lasst uns dieses schöne Fest der Freude unter Freunden in Frieden feiern. Zum Wohl!«
    Gut gesättigt und vom schweren Wein besänftigt, ging Wrangel mit Abelson eine gute Stunde später zurück in Abelsons Arbeitszimmer.
    »Ich habe Euch einen Vorschlag zu machen, Prokurator Wrangel.« Abelson nahm den dechiffrierten Wechsel in die Hand und las ihn noch einmal laut vor. »Vierzigtausend Mark lübisch sind eine stattliche Summe. Sie entspricht ungefähr dem Jahressalär des halben Hamburger Rates. Mit so einer Summe ist schon einiges zu bewegen. Wenn ich beispielsweise daran denke, dass Peter I. von Russland seine Armee aufrüstet und dafür Geld aus verschiedensten Kanälen über die Börse in London akquiriert  Oder aber die Geschichte mit dem Pulver hier in Hamburg. Erinnert Ihr Euch?«
    »Ja, Michel Wilken hatte so viel Geld zur Verfügung, dass er Schwarzpulver auf Vorrat kaufen konnte, obwohl Hamburg es ihm nicht abnehmen würde. Und ein Lübecker Kaufmann bediente Hamburg zuvor mit ausreichend Pulver, das schon zufällig in der Stadt war. Und zufällig war in der in Brand geratenen Vincent-Bastion weitaus weniger Schwarzpulver, als es laut Vorratslisten, für die Michel Wilken verantwortlich war, hätte sein sollen.«
    Innerlich brodelte Wrangel wieder. Ihm fielen die beiden Wilken’schen Kontorjungen ein, die während des Brandes lieber einen alten Holzverschlag als die dahinterstehende Reetdachkate vor den Flammen schützten. Wenn sich in diesem Verschlag nun das Schwarzpulver befunden hatte? Und wenn sein Bruder dieser Kaufmann war, der zufällig gerade Pulver in Hamburg zu verkaufen hatte? Wenn die beiden wirklich unter einer Decke steckten, dann 
    »Ja, Prokurator, so ungefähr lief das. Sollte es irgendeine Beziehung zwischen diesen Ereignissen und dem Wechselgeschäft hier geben, ist es kein Wunder, dass es heimlich transferiert wurde. Wollen wir herausfinden, was hinter dieser Transaktion steckt, müssen wir wissen, an wen das Geld in letzter Instanz ging.«
    Abelson bemerkte Wrangels Erregung. Beschwichtigend legte er seine Hand auf den Arm des jungen Prokurators. »Wie ich schon sagte, Wrangel, vielleicht hat Euer Bruder da gar nicht mehr seine Hände im Spiel, sondern ist nur ein Mittelsmann, um die Operation noch schwerer nachvollziehbar zu machen. Auf jeden Fall aber ist er ein engvertrauter Geschäftspartner von Michel Wilken. Sonst würde er für eine solche Summe keinen Wechsel annehmen. Doch wir dürfen auch nicht vergessen, dass dem Versender das größtmögliche Unglück passiert ist, das man bei so einem geheimen Wechsel haben kann: Sowohl der chiffrierte Brief wie auch der Brief mit dem offenen Code sind gemeinsam in die Hände findiger Menschen gefallen und entschlüsselt worden. Wir müssen sehr vorsichtig sein, damit niemand uns dahinter vermutet.«
    »Und was habt Ihr vorzuschlagen, Abelson?«
    Der alte Mann lächelte. »Die Jugend ist so ungestüm, um nicht zu sagen ungeduldig. Zunächst einmal verliert zu niemandem ein einziges Wort über diese Dinge. Ich habe sehr gute Beziehungen nach Amsterdam, direkt in die Wisselbank. Ich schlage Euch vor, dass ich mich ein bisschen umhöre, um Näheres über dieses mysteriöse ›FIV‹-Konto herauszufinden. Übt Euch in Geduld und Verschwiegenheit und gebt mir ein paar Tage Zeit, dann wissen wir mehr.«
    Wrangel nickte und bemühte sich, seine Wut unter Kontrolle zu halten. »In Ordnung. Wann sehen wir uns wieder?«
    »In einer Woche.«
    »Gut, in einer Woche.«

Donnerstag, 16. Dezember 1701
58
    R uth nippte vorsichtig an ihrer Tasse Tee, die ihr Margarete Claussen eingeschenkt hatte. Die beiden Frauen hatten sich nach dem Abendessen in einen kleinen Salon

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