Schandweib
verschwörerischem Ton zuzuwenden. »Es geht um das Mannweib, die Frau in Männerkleidern.«
Dann ließ er sie mit ihrer brennenden Neugier allein in der Diele stehen, während in seinen Ohren Matthesons Klänge nachhallten.
Samstag, 6. November 1701
13
A ls Hinrich Wrangel Schlag neun in der Frohnerei eintraf, waren bereits sämtliche Zeugen, der Aktuar Dr. Meyer, der Brookvogt und auch Prätor Wilken versammelt. Asthusen hatte die Herrenstube für die Zeugenvernehmung hergerichtet. Vor dem Fenster standen der Tisch und zwei Stühle, einer für den Prätor, einer für den Aktuar. Etwas abseits vom Tisch stand noch ein dritter Stuhl für Wrangel. Der Rest des Raumes war leer geräumt und gründlich gefegt. Links gegenüber vom Fenster waren zwei schwere Eisenringe in die Wand eingelassen, an die man im Zweifelsfalle Gefangene ketten konnte.
Vor ihnen stand die Gefangene, an Händen und Füßen gefesselt. In der rechten Ecke neben der Tür tummelten sich die Zeugen. Die blasse Frau mit dem dunklen Kopftuch musste Elisabeth Pausten sein. An sie drängte sich ein älteres Paar in lüneburgischer Bauerntracht, ihre Eltern, die gemeinsam mit dem Sohn, dem jungen Mann rechts neben ihr, Bunk gefasst und angezeigt hatten. Hinter der Familie Pausten erkannte Wrangel die Bauernleute wieder, die vor zehn Tagen Bunk der Entführung von Maria Rieken beschuldigt hatten. Der Brookvogt stand mit gewichtiger Miene neben den Zeugen und achtete darauf, dass sie nicht zu sehr in die Mitte des Zimmers vordrängten.
»Da seid Ihr ja, Wrangel«, ließ sich Wilken kurz vernehmen, »so lasst uns mit dieser Sache anfangen.«
Mit festem Schritt und würdigem Blick durchschritt der Prätor den kleinen Raum und nahm am Tisch Platz. Wrangel und Dr. Meyer folgten ihm schweigend. Asthusen schloss die Tür hinter ihnen und stellte sich dann an die Wand zwischen Wrangel und der Gefangenen, genau austariert einen guten Schritt dichter an der Gefangenen als am Prokurator. Dann ergriff er als Hausherr das Wort, erklärte mit wenigen Sätzen die Umstände der Zeugenvernehmung und übergab die Leitung der Befragung feierlich an Prätor Wilken.
Dieser räusperte sich und ließ seinen durchdringenden Blick über die versammelten Menschen gleiten. »Wir sind also heute hier zusammengekommen, um die Vorwürfe der Familie Pausten gegen die Gefangene
« Er warf einen unwirschen Blick zum Aktuar hinüber. »Wie heißt die Gefangene, Dr. Meyer?«
»Bunk ist ihr Name, Prätor Wilken.«
»Bunk? Wie kann ein Weibsbild Bunk heißen?«
»Nun, es ist ihr Familienname, Prätor.«
»Und ihr Taufname, Dr. Meyer? Was steht in Euren Akten?«
»Hinrich, Prätor Wilken.«
Wilken blitzte den Aktuar mit funkelnden Augen an und wandte sich dann an Wrangel. »Wie heißt Eure Mandantin, Prokurator Wrangel?«
Wrangel räusperte sich verlegen. »Sie hat sich bisher geweigert, uns ihren Taufnamen zu nennen, Prätor Wilken.«
Wilken musterte ihn mit strengem Blick.
»Wie heißt Sie mit Taufnamen?«, wandte er sich nun direkt an Bunk.
Die hielt ihren Blick gesenkt und schwieg.
»Meister Ismael, diese Lücke im Protokoll gilt es später miteiner peinlichen Befragung zu schließen«, beendete Wilken sein kurzes Intermezzo. »Wenden wir uns der Beschuldigung von Elisabeth Pausten zu. Trete Sie vor und erkläre sich.«
Die blasse Frau mit dem Kopftuch machte einen Schritt auf den Tisch zu.
»Name?«
»Pausten, Elisabeth.«
»Wo kommt Sie her?«
»Aus Fuhlengrube im Lüneburgischen.«
»Familienstand?«
Betreten versenkte die Frau den Blick in ihren Rocksaum.
»Familienstand?«, wiederholte Wilken unwirsch.
»Verheiratet«, flüsterte Elisabeth Pausten.
»Name des Ehegatten?«
Da brach sie in Tränen aus, verknotete ihre Hände in der Schürze und schluchzte hilflos.
»Name des Ehegatten?«
»Hinrich Bunk«, presste die Frau mühsam hervor.
Ein Raunen ging durch den Raum, und der Vater mischte sich lauthals ein. »Das ist doch kein Mann! Sie ist nicht verheiratet!«
»Ruhe! Erzähle Sie Ihre Geschichte und wie es zu der Verletzung durch die Gefangene kam«, beendete Wilken das Durcheinander.
»Am Erntedank war es«, setzte Elisabeth Pausten nach einem beherzten Schnäuzer an. »Wir waren zur Ernte bei meiner Familie in Fuhlengrube gewesen. Zum Fest nach dem Gottesdienst hatte ich eine neue Schürze angelegt, die mir Jürgen Lüderer, ein Witwer aus dem Dorf, geschenkt hatte, weil ich ihm zwei Tage lang beim Einkochen zur Hand gegangen war. Als
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