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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Hinrich mich mit der Schürze sieht, wird er ganz wild vor Eifersucht und beschimpft mich unflätig. Er schreit, für ein bisschen Tand hebe ich wohl gleich für jeden den Rock …« Mit vor Erregung und Scham zitternder Brust hielt sie einen Augenblick inne. »Dann … dann griff er nach der Schürze und versuchte, sie mir vom Leib zu reißen. Als sie sich nicht löste, fasste er nach seinem Messer und wollte das Band durchtrennen. Ich versuchte mich zu wehren gegen den Grobian und stieß ihn von mir. Doch er hielt meinen Arm, und ich prallte zurück. Dabei schnitt mir das Messer in die Seite.«
    Wilkens gelangweilter Blick wanderte von der Zeugin zur Beschuldigten, weiter zu Asthusen und schließlich zu Wrangel. Es war offensichtlich, dass er seine Zeit hier als vertan ansah. So wie die Frau es schilderte, war das kein Mordversuch, sondern ein Unfall im Rahmen einer Streiterei. Dazu war das Ganze vor geraumer Zeit im Lüneburgischen passiert. Das Hamburger Niedergericht war dafür nicht zuständig. Wrangel konnte förmlich von Wilkens Gesicht ablesen, dass er sich das alles nur anhörte, um vor dem Volk als geflissentlicher Hüter der Ordnung dazustehen.
    »So zeige Sie denn Ihre Wunde und sage uns, wer jener Hinrich ist«, wandte er sich schließlich an die Zeugin.
    »Na, er, Hinrich Bunk«, deutete sie erregt auf die Gefangene, »mein Mann.«
    »Was nennt Sie das Weib da Ihren Mann?«, fuhr Wilken sie scharf an. »Wie kann Sie denn ein Weib zum Manne haben?«
    Elisabeth Pausten zitterte am ganzen Leib. »Ich hab ja nicht gewusst, dass Hinrich kein Mann ist. Erst jetzt seh ich’s und …«
    »Wie kann Sie denn nicht gewusst haben, dass Ihr Mann kein Mann ist? Wo Sie doch mit ihm verheiratet sein will! Hat Sie die Ehe etwa nicht vollzogen?«
    Wrangel war unwohl. Nach der Schilderung dieser ElisabethPausten war seine Mandantin schließlich stark entlastet. Jetzt den Vorwurf der Sittenwidrigkeit aufzunehmen konnte ihr nur schaden und die ganze Sache ungebührlich in die Länge ziehen. Und ihn würde es immer länger an diesen widerlichen Fall, dieses verruchte Geschöpf, binden. Nichts wusste er über die Frau. Noch nicht einmal ihren Namen. Er würde nur schweigend abnicken können, was der Prätor da auf den Weg brachte, und sich in die Dinge fügen müssen. Er spürte die Wut der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins in sich hochkommen. Wie konnte er hier nur so ein erbärmliches Bild als Advocatus und Prokurator abgeben?
    »Doch«, flüsterte Elisabeth Pausten verzagt.
    »Verhext hat das Weib meine Tochter!«, schrie auf einmal der Vater dazwischen. »Blind gemacht hat es sie, um sie den anständigen, gottesfürchtigen Leuten zu entreißen!«
    »Ja, eine Hexe ist das Weib!«, fiel die alte Frau aus den Vierlanden, wohl die Mutter der vermissten Rieken, mit ein.
    »Ruhe!«, gebot der Prätor, und der Brookvogt baute sich bedrohlich vor den Zeugen auf, um der Forderung Nachdruck zu verleihen.
    Wrangel spürte einen Stich im Magen. Auch wenn ihm dieser Fall nicht passte, konnte er nicht tatenlos zulassen, dass dem Vorwurf der Hexerei mit all seinen entsetzlichen Folgen Futter gegeben wurde. Vielleicht war genau das hier seine Aufgabe. Vielleicht war es eine Prüfung, die Gott ihm abverlangte? Schließlich hatte er bei Christian Thomasius, einem der größten Kämpfer gegen den Hexenwahn, studiert. Er teilte Thomasius’ Auffassungen aus tiefstem Herzen, und er wusste auch, dass die Schlacht um den Hexenwahn zwar in den Gesetzbüchern gewonnen war, aber noch lange nicht in den Herzen des einfachen Volkes. Auch bestand kein Zweifel daran, dass Wilken ein vernünftiger, aufgeklärter Mann war und sich nicht auf diesen Wahnsinn einlassen würde. Hoffentlich!
    »Erzähle Sie uns, wie Sie zu Ihrem Mann gekommen und wie Sie mit ihm die Ehe vollzogen hat«, wandte sich Wilken mit strengem Ton an Elisabeth Pausten.
    »Im Frühjahr war es, kurz nach der Karwoche, da lernte ich ihn, Hinrich, in Altona im Gasthaus kennen. Ich war dort über den Winter in Diensten, half in der Küche und im Schankraum. Er war sehr nett und großzügig zu mir. Hat mir hübsche Geschenke gemacht und liebe Dinge zugeflüstert.« Ihr Gesicht rötete sich, und ein warmer Zug umspielte ihre Lippen. »Mein Herz hat sich für ihn erwärmt. Und als er fragte, ob ich nicht seine Frau sein und mit ihm leben wollte, anstatt in der Schenke zu schuften, da hab ich nicht lang gezögert. Noch vor Christi Himmelfahrt haben wir in Altona geheiratet.«
    »In

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