Schandweib
lukrativere Fälle als diesen hier. Und wer weiß, ob man sich nicht bald auch an Euch als hervorragenden Ermittler im Rat erinnert, wenn ein neuer Fiskal bestellt werden soll.«
Wrangel war verwirrt. Verteidiger war er in diesem Fall, nicht Ermittler. Oder vielleicht doch? Schließlich hatte er damals im Januar so einige Nachforschungen angestellt, der Leichenbeschauung beigewohnt und immer wieder beim Prätor nachgehakt. Das schien jenem damals allerdings keinerlei Freude zu bereiten,ganz im Gegenteil. Ausgebremst hatte er ihn und mit nichtssagender Arbeit überhäuft. Andererseits, politisch gedacht, ließ sich die Meinung des Prätors zu Wrangels Anfangseifer wohl durchaus ändern, und es sprang zu guter Letzt vielleicht ein Nutzen für ihn heraus.
»Darum, mein junger Freund, bedenkt bei der kommenden Befragung, dass sie einem höheren Zweck dient, der durchaus die Mittel zu heiligen vermag.«
Ein Frösteln durchzuckte Wrangel. Was würde ihn gleich erwarten? Schon zweimal war er in seiner Funktion als Prokurator bei peinlichen Befragungen hier am Niedergericht dabei gewesen. Es war jedes Mal ein grausliches Schauspiel. Die Folterkammer war im Keller der Frohnerei untergebracht. Geräumig war sie, sodass die Beiwohnenden einen gebührlichen Abstand zum Beschuldigten und dem Scharfrichter mit seinen Instrumenten halten konnten. Die Mauern waren so dick, dass kaum ein Geräusch nach außen drang. Bisher war es vor Wrangels Augen noch nicht zum Schlimmsten gekommen, der Carolina sei Dank. Diese Gerichtsordnung, die Kaiser Karl V. 1532 als erstes allgemeines deutsches Strafgesetzbuch, verbunden mit einer Strafprozessordnung, geschaffen hatte, hatte der Folter eine allgemeine Mäßigung auferlegt.
Man ging jetzt stufenweise vor. Zuerst führte der Scharfrichter höchstpersönlich dem armen Beschuldigten nur die Instrumente der Tortur vor und erklärte dabei ausgiebig ihre Wirkungen. Meistens zeigte diese Zurschaustellung schon ihre Wirkung und machte den Beschuldigten gesprächig. So war es zumindest während der beiden Befragungen, die Wrangel hier unter Meister Ismael miterlebt hatte. Sollte sich aber so gütlich noch kein Erfolg einstellen, wurde das Opfer bis auf die Haut ausgezogen und der Scharfrichter passte ihm die Daumenstöcke oder auchdie Beinstöcke an, ohne diese jedoch anzuziehen. So nackt im Elend stehend, gaben dann die meisten Delinquenten doch auf. Taten sie es nicht und weigerten sie sich auch weiterhin, ein Geständnis abzulegen, folgte der erste Grad der Tortur, meist die Daumenstöcke. Diese waren flache Eisenstücke, die zwischen die Daumen gelegt und dann zusammengepresst wurden. Bis zur dritten Stufe ließen sich die Grausamkeiten steigern.
Doch Wrangel wurde schon beim bloßen Gedanken an die Werkzeuge schlecht, sodass er innig hoffte, Bunk würde ihre Verbocktheit fallenlassen und ihnen ihren Taufnamen sagen, wie auch die anderen Dinge, die sie zu klären hatten. Schließlich ging es hier noch nicht um ein Eingeständnis von Schuld, sondern lediglich um eine konstruktive Zusammenarbeit. Wrangel vertraute dabei auf Asthusen, der wahrlich nicht zu den Schlächtern seines Standes gehörte, sondern ein Mann von Maß war.
In diesem Moment kam der Scharfrichter auch schon auf sie zugeschritten und verkündete, dass man nun so weit sei.
Sechs Fackeln leuchteten die feuchte Kammer hell aus. Tisch und Stühle aus dem Vernehmungszimmer standen neben der Tür, am anderen Ende des Raumes reihten sich ordentlich die Folterwerkzeuge nebeneinander: zwei Paar Daumenstöcke, zwei Fußstöcke, ein Satz Zangen, Kästen mit Nägeln und Splittern verschiedener Art, drei Seile, Ledermanschetten unterschiedlicher Größe, ein mit Wasser gefülltes Fass, Reisigruten in verschiedenen Stärken und eine Lederknute mit ausgefransten Enden. Asthusen und Jürgen flankierten die kleine Ausstellung der Folterinstrumente.
Da haben sie aber ordentlich aufgefahren, dachte Wrangel, als er zu seinem Platz am Ende des Tisches schritt. Ihm folgten die beiden kurz zuvor eingetroffenen Schöffen des Niedergerichtes. Neben ihnen nahm der Prätor Platz, am linken Ende der Aktuar.Der sortierte auch sogleich seine Federkiele, spannte einen Bogen Papier auf das kleine Tragpult und öffnete das Tintenfass.
Bunk saß bereits auf einem Schemel in der Mitte des Raumes und starrte unruhig auf die Werkzeuge schräg hinter ihr.
»Wir wollen nicht unnötig unsere Zeit vertun«, eröffnete Wilken knapp den zweiten Teil der
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