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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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erlaubten den Juden noch nicht einmal, innerhalb der Stadtmauern ihrem Glauben nachzugehen.
    Noch gar nicht lange war es her, da durfte man in Hamburg am Freitagabend keine Kerzen anzünden, um den Sabbat zu begrüßen. Das hatte sich zwar inzwischen verbessert, aber im Vergleich zu Amsterdam war das jüdische Leben in Hamburg trist. Wenn sie nur an die herrliche Synagoge, die Esnoga, in der Visserplein Straat dachte, die so prächtig und erhaben, vor allem soselbstverständlich das reiche jüdische Leben der niederländischen Metropole symbolisierte, dachte sie mit Wehmut an die in Amsterdam verbrachten Wochen zurück.
    Ihr Vater hatte womöglich wirklich gute Gründe, sie mit Benjamin Levi zu verheiraten. Dann würde sie in Amsterdam leben und all seine Pracht und Freiheiten genießen können. Ruth verzog das Gesicht bei diesem Gedanken, wusste sie doch, dass eine verheiratete Frau kaum Freiheiten hatte. Ihre Freiheit würde sie unter der Chuppa, dem Hochzeitsbaldachin, abgeben, um sich dann dem göttlichen Willen, die menschliche Gattung zu vermehren, unterzuordnen. Andererseits bedeutete für die Juden ein eheloses Leben eines ohne Freude, ohne Glück, ohne Seligkeit. Sich gar der Fortpflanzung zu verweigern galt als Sünde.
    In einer Mischung aus Resignation und Wut schüttelte Ruth den Kopf. Sie wusste nicht weiter, brauchte dringend Rat von einer erfahrenen Frau. Aber wen fragen? Margarete Claussen war eine gute Frau, aber was verstand sie schon von dem Leben der Juden? Lebten die Christenfrauen genauso wie die Jüdinnen?
    Bei dem Gedanken an die alte Frau Claussen musste Ruth unwillkürlich an Matthias Claussen, den Vikar, denken. Matthias und sie kannten sich schon seit Kindertagen. Früher hatten sie sogar gemeinsam gespielt. Erst als Matthias vor fünf Jahren nach Greifswald zum Studium gegangen war, hatte sich die vertraute Art zwischen ihnen verloren. Als er drei Jahre später zurückkam, war er ein Mann und sie kein Kind mehr. Matthias war immer schon ein heller Bursche gewesen. Schlagfertig wusste er auf vieles eine Antwort. Das Studium hatte diese Qualitäten noch mehr aus ihm hervorgeholt. Allerdings hatten das Vikariat und seine innige Zuwendung zu der Luther’schen Glaubenslehre ihn innerlich immer weiter von Ruth entfernt.
    Aber vielleicht hatte sie sich auch von ihm entfernt. War sie ehrlich zu sich selbst, kam sie nicht umhin, den schmächtigen jungen Mann nicht sehr anziehend zu finden, trotz seines brillanten Geistes. Gerade neben seinem Freund, dem neuen Prokurator am Niedergericht, stach doch das Körperliche ins Auge.
    Dieser Wrangel hingegen war ohne Zweifel ein Bild von einem Mann. Groß und kräftig, doch zugleich schlank und edel. Er war regelrecht untypisch für die Männer dieser Region, wirkte mit seinen dunklen Haaren und langen, schlanken Gliedmaßen eher wie ein spanischer Edelmann. Nur die klaren blauen Augen ließen den Nordmann in ihm durchscheinen. Wenn er von seiner Arbeit sprach, leuchteten sie vor Begeisterung, und seine Stimme verfiel in einen mitreißenden Singsang. Mit welcher Hingabe er von den Fällen bei Gericht und erst von seinen Reisen und seinem Studium bei diesem Gelehrten aus Halle, dessen Name ihr entfallen war, gesprochen hatte! Was für ein aufregendes Leben dieser Mann führte!
    Ruth spürte, dass ihr Herz schneller schlug und ihre Hände feucht wurden. Peinlich berührt wischte sie sie an ihrer Schürze trocken und schüttelte mit einer kräftigen Bewegung ihren Kopf, als wollte sie damit zugleich die Gedanken an all die aufregenden und wunderbaren Dinge, die das Leben bereithielt, aus ihrem Geist verjagen.
    Ein Klopfen an der Tür riss Ruth aus ihren Gedanken, und wenige Augenblicke später stand Moses Abelson in der Stube. »Heute Mittag bekommen wir Besuch von Syndikus Lorenz, liebe Ruth. Hast du den Mägden aufgetragen, sich um alles zu kümmern?«
    »Selbstverständlich, Vater. Vor kurzem erst war ich selbst unten in der Küche und habe mich davon überzeugt, dass die Vorbereitungen gut vorankommen.«
    »Gut, dann sehe ich dich später unten im Salon.« Damit wandte er sich um und ging zur Tür.
    »Vater?«
    »Ja?«
    »Ich habe …« Zögernd hielt Ruth inne.
    »Was hast du?«
    »Ich habe eine Bitte. Lass uns an Mutters Todestag zu ihrem Grab fahren und anschließend in die Synagoge gehen. Er fällt dieses Jahr auf den Sabbat.«
    Moses Abelson lächelte seine Tochter müde an. »Ich habe auch schon daran gedacht, mein Kind. Aber die Reise nach

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