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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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aus ihren braunen Knopfaugen an. »Erkundigungen?«
    »Ja, gute Frau. Mir kam zu Ohren, dass Ihr Anfang dieses Jahres eine junge Frau in Dienst genommen habt, ihr Name ist Maria Rieken.«
    »Maria, ja, das stimmt. Ein Bekannter meines Mannes hat sie uns empfohlen. Ein ordentliches Mädchen, aber nicht sehr flink.«
    »So ist sie noch bei Euch im Dienst? Kann ich sie sprechen?«
    »Nein, Herr Prokurator. Gerade einmal eine Woche blieb sie nur. Zu Mariä Lichtmess hat sie uns schon wieder verlassen. Die Dämpfe der Arzneien machten sie krank, behauptete sie, und sie wolle wieder zurück aufs Land.«
    »Und Ihr wisst genau, dass es zu Mariä Lichtmess war?«
    »Selbstverständlich, Herr Prokurator. Sie ging am Schlenkeltag, an dem anständige Dienstboten ihre Stelle ohne Schande wechseln dürfen.«
    »Wisst Ihr, wo sie hinwollte?«
    »Nicht mit Sicherheit. Zwar sagte sie, sie wolle aufs Land, aber wohin genau, das hat sie mir nicht gesagt. Warum fragt Ihr das alles, gnädiger Herr? Hat Maria denn Schwierigkeiten?«
    »Nein, Frau Jähner, seid unbesorgt. Da sie Euch erst zu Mariä Lichtmess verlassen hat, hat sie mit meinem Fall kaum etwas zu tun. Ich danke Euch sehr für die Auskunft. Wundert Euch bittenicht, solltet Ihr beizeiten eine Vorladung als Zeugin am Niedergericht erhalten. Es mag wohl sein, dass man Eure Aussage noch wird zu Protokoll nehmen wollen.«
    »Zum Niedergericht? Ich weiß nicht …« Sie zögerte.
    »Oh, kein Grund zur Sorge, gute Frau. Das ist eine reine Formalie für die Aktenführung und wird Euch nur kurze Zeit in Anspruch nehmen.«
    »Nun, wenn es denn sein muss … Doch selten bringt ein Besuch vor Gericht etwas Gutes.«
    »Ihr werdet von uns hören. Habt vielen Dank für Eure Auskunft, gute Frau.«
    Nachdem er die Arzneienkrämerei verlassen hatte, wandte sich Wrangel zügig Richtung Eimbeck’sches Haus. Wie großartig! Wilkens Konstrukt bröckelte schon dahin. Mariä Lichtmess war am 2. Februar. Die Leiche aber fand man am 26.  Januar, seinem ersten Tag hier in Hamburg. So konnte diese Rieken nicht die Tote sein.
    Wrangel spürte ein Zwicken im Magen. Er hatte heute noch nichts gegessen. Dr. Biester konnte noch ein bisschen warten. Zuerst musste er auf eine Suppe in einem Gasthaus einkehren, bevor er seinen Weg fortsetzte.
    Kurz nach zwei Uhr traf Wrangel bei Dr. Biester ein. Der Physikus sah den Prokurator erstaunt an, als sich dieser nach den Unterlagen über die kopflose Frau erkundigte.
    »Keine Stunde ist es her, dass ein Gerichtsdiener doch genau diese Papiere für das Niedergericht abgeholt hat. Weiß denn dort nicht die linke Hand, was die rechte tut?«
    Wrangel blickte verdutzt drein. »Oh, vor einer Stunde. Entschuldigt dann bitte mein Ansinnen. Ich hatte nicht geahnt, dass man so schnell bei Euch sein würde. Ein Gerichtsdiener, sagt Ihr?«
    »Prokurator Wrangel, haltet Ihr mich für einen Schwätzer? Ich sagte doch, dass es ein Gerichtsdiener war. Im Auftrag des Brookvogtes holte er die Unterlagen ab. Vom Mittagessen hat er mich hochgejagt. Es eile, sagte er nur. Nun kommt Ihr und holt mich aus meiner Mittagsruhe. All die Unruhe wegen eines fetten kopflosen Körpers, der schon lange von den Würmern vertilgt ist.«
    »Entschuldigt bitte die Störung, Dr. Biester«, entgegnete Wrangel. »Doch die Mühlen des Gerichts mahlen manchmal etwas langsam.«
    »Und nicht unbedingt sauber aufeinander abgestimmt«, entgegnete der Physikus spitz. »Nun entschuldigt mich. In einer guten Stunde muss ich in die nächste Vorlesung. Bis dahin brauche ich etwas Ruhe.«
    »Fett, sagt Ihr?«
    »Wie die Schweinebacke, die heute meinen Grünkohl zierte und mir jetzt auf der Galle liegt. Guten Tag, Prokurator.«

Sonntag, 7. November 1701
16
    S oeben war das letzte Läuten der Glocken von St. Jacobi verklungen. Ruth Abelson blickte aus dem Fenster ihrer Stube, hinaus auf die kleine Johannisstraße, die wie leergefegt an diesem Sonntagmorgen im frühen Licht des Tages dalag.
    Sonntagmorgen waren schon immer etwas Besonderes gewesen. Alle gingen in die Kirche, und sie, die Juden, blieben zurückgezogen in ihren Häusern, unsichtbar für die Christen. Früher hatte sie diese erzwungenen Stunden der Ruhe und Muße genossen und dazu genutzt, ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Aber seitdem sie aus Amsterdam zurück war, wurde ihr immer deutlicher bewusst, wie eingeschränkt ihr Leben in Hamburg war. Immer musste sie Rücksicht auf die Bedürfnisse der anderen, der Gojim, nehmen, aber die

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