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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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zu müssen.«
    »Danke, Claussen, für Eure Hilfe wie für Euren Rat. Manchmal wüsste ich sonst nicht mehr, wie mir hier in Hamburg der Kopf steht. Eine weitere Sache habe ich Euch nämlich noch gar nicht erzählt. Prätor Wilken hat mich für morgen Nachmittag in sein Landhaus eingeladen. Auch mein Bruder wird dort sein mit seiner Frau.«
    »Gerade wollte ich Euch von Eurem Bruder berichten. Gesternspeiste ich bei meinem Onkel zu Mittag und traf dort auf Syndikus Lorenz. Am Abend zuvor war er bei Michel Wilken, dem Bruder des Prätors, zu Gast gewesen und hatte dort Euren Bruder kennengelernt. Er war entzückt von seiner jungen Gattin.«
    Wrangel stockte der Atem, aber er verzog keine Miene. Warum musste Claussen in dieser Wunde bohren?
    Der junge Vikar hingegen merkte sofort, dass sein Freund zwar mit keiner Wimper zuckte, im Innern aber brodelte. »Ich sage das nicht, um Euch zu quälen, mein Freund, sondern um Euch vorzubereiten. Euer Bruder steht bei der Familie Wilken in hoher Gunst. Michel und er scheinen enge Geschäftspartner zu sein und diese Beziehung jetzt auf freundschaftliche Bande auszudehnen. Wenn Ihr morgen dort sein werdet, solltet Ihr wissen, was Euch erwartet. Nur so könnt Ihr Euch auf diese sicherlich nicht leichte Prüfung vorbereiten.«
    Clausen hatte recht. Mal wieder. Es galt sich zu beherrschen und für die Begegnung zu wappnen.
    »Aber der gute alte Lorenz plauderte nicht nur über die junge Frau Wrangel. Viel interessanter war, was er über die bedrohliche Lage Hamburgs erzählte. Die Dänen schneiden uns ja mehr und mehr vom Handel ab. Damit bedrohen sie die Unabhängigkeit der Stadt, die für unsere Neutralität lebenswichtig ist. Wenn wir erst einmal um die Hilfe der Schweden bitten müssen, werden die Dänen wie die Hunde über uns herfallen. Gnade uns Gott, wenn dann so ein Anschlag wie Montag auf die Wälle passiert!«
    »Was für ein Anschlag, Claussen? Wie die Dänen uns das Leben schwermachen, erlebe ich täglich bei Gericht. Vielen Kaufleuten steht das Wasser bis zum Hals. Ihre Waren vermodern auf den Schiffen, die weder in die Stadt herein- noch aus ihr herauskommen. Die Streitereien um offene Rechnungen und ausgebliebene Lieferungen nehmen zu. Ein Bankrott folgt dem nächsten. Doch von einem Anschlag habe ich nichts gehört. Oder meint Ihr etwa das Feuer auf der Vincent-Bastion?«
    »Genau das meine ich, Wrangel. Man sagt, um ein Haar wäre die ganze Bastion in die Luft gegangen. Nur wie durch ein Wunder sei die Munitionskammer der Bastion beinahe leer gewesen, ganz entgegen den Vorratslisten, die im Zeughaus darüber geführt werden. Lorenz erzählte, dass gestern im Rat auf das heftigste über den Brand diskutiert wurde. Die Bürgerschaft tobt. Michel Wilken versuchte wohl, die Gemüter zu beschwichtigen, und bot an, eine genaue Prüfung des Brandes vorzunehmen.«
    »Wieso ausgerechnet Michel Wilken?«
    »Lorenz sagte, er sei im Rat für die Kontrolle der Buchführung der Munitionsvorräte zuständig.«
    »Glaubt Ihr an einen Anschlag, Claussen? Also, ich weiß nicht. Ich war dort, als die Munitionskammer auf der Bastion explodierte. Für einen Anschlag brannte es zu dem Zeitpunkt doch schon viel zu lange, mindestens eine halbe Stunde.«
    »Ihr wart dort? Auf der Bastion?«
    »Nein, in der Nähe auf den Wallanlagen. Ich habe mir das wilde Treiben aus sicherer Entfernung angesehen. Was hätte ich auch anderes tun können? Wasserträger gab es bereits genug, die Röper des Brookvogtes hatten alles gut im Griff, da hätte so jemand wie ich mit zwei linken Händen nur gestört.«
    »Aha. Aber warum sollte es kein Anschlag gewesen sein? Im Rat wurde berichtet, Zeugen hätten zwei junge Kerle auf der Bastion herumschleichen sehen, die dort nicht hingehörten.«
    »Reicht das schon, um einen Anschlag anzunehmen? Ich habe bei der Bastion auch ein paar junge Leute herumlaufen sehen, die nicht so aussahen, als ob sie dort hingehörten. Aber deshalb sind sie doch nicht gleich verdächtig.«
    »Vielleicht habt Ihr recht, Wrangel, und die Gemüter hier in der Stadt sind einfach überhitzt. Angst und Unsicherheit machen den Menschen zu schaffen und lassen sie vorschnell den Teufel an die Wand malen.«
    Die beiden jungen Männer seufzten einvernehmlich und rührten in ihren Kaffeetassen, in denen sich nur noch ein bescheidener braunschwarzer Rest fand. Da erblickten sie Moses Abelson, der sich mit einem freundlich väterlichen Lächeln zwischen den vollbesetzten Tischen zu ihnen

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