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Scharade der Liebe

Titel: Scharade der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Kannst du noch ein bisschen an Tempo zulegen, mein Junge?«
    Brewster war ein Vollblut mit dem Herzen eines Rennpferdes. Er streckte sich und flog mit einer Geschwindigkeit dahin, die selbst Gray überraschte, der Brewster vor vier Jahren selbst zugeritten hatte. Ab und zu verlor er Durban aus den Augen, fluchte laut, doch dann erspähte er ihn wieder. Jack wusste wahrscheinlich gar nicht, wohin er ritt. Aber wenn er sich verirrt hatte, warum hielt er dann nicht einfach an und kehrte nach London zurück?
    Weil er denkt, dass ich da auf ihn warte, um ihn umzubringen und seine Leiche dem Magistrat zu übergeben. Keine schlechte Idee, wenn ich es so bedenke. Der Junge ist nicht dumm.
    Gegen zwei Uhr morgens fing es an zu regnen. Es wurde kälter. Das hat gerade noch gefehlt, dachte Gray und beugte sich tief über Brewsters Hals. Brewster, dem das Wetter nicht gefiel, schnaubte und streckte seinen Hals noch mehr.
    Es war überhaupt niemand mehr unterwegs. Keine Kutsche, kein anderer Reiter. Nur der Regen prasselte schwer hernieder, und es wurde mit jeder Minute kälter.
    Gray fluchte. Und die ganze Zeit über dachte er: Wer, zum Teufel, ist Jack?
    Brewster bog um eine Kurve. Gray erwartete, Durban in der Ferne auszumachen, aber er sah überhaupt nichts. Er ritt ein Stück weiter. Keine Spur von Durban. Er war einfach verschwunden. Nein, das war unmöglich. Er ritt noch ein Stück weiter. Als er schließlich sicher war, dass Jack von der Hauptstraße abgebogen sein musste, weil er vielleicht endlich gemerkt hatte, dass er in die falsche Richtung ritt, brachte Gray Brewster zum Stehen. Frierend saß er in der Kälte auf dem Pferd und überlegte. Dann wendete er und ritt nach London zurück. Er sah einen Feldweg, der von der Hauptstraße abging. Hier musste Jack entlanggeritten sein. Gray lenkte Brewster auf den schlammigen Weg.
    Gray war erschöpft und bis auf die Knochen durchnässt, und er machte sich solche Sorgen um Jack, dass sein Zorn verrauchte. Brewster wurde langsam müde. Er musste etwas unternehmen.
    Brewster fiel in Schritt. Er war genauso erschöpft wie sein Herr. Plötzlich hörte Gray ein vertrautes Wiehern.
    Durban.
    Er hielt an und sagte zu Brewster: »Das ist unser Durban. Was meinst du, Brewster? Weißt du, wo er ist?«
    Brewster hob den Kopf und wieherte laut. Durban antwortete ihm. Er war ganz in der Nähe, irgendwo auf der linken Seite. Erst da sah Gray die Ruine eines uralten Schuppens, der abseits des Weges an einem Gerstenfeld stand. Ein Bauernhaus war nicht in Sicht, nur die Überreste des Schuppens, der wahrscheinlich schon seit mehr als einem halben Jahrhundert verlassen da stand.
    Der Regen wurde immer heftiger, und Gray konnte kaum noch etwas erkennen. Brewster ging von sich aus vom Weg ab und überquerte sicher das schlammige Feld, aus dem etliche spitze Steine herausragten. Einmal mussten sie sogar über einen Holzzaun springen.
    Jack zumindest war vor dem Regen im Schuppen geschützt und konnte seine verletzte Rippe pflegen - der wertlose kleine Bastard. Offensichtlich wusste er nicht, wo er sich befand.
    Durban wieherte wieder, und Gray kniff die Augen zusammen.
    Er glitt von Brewsters Rücken, wobei er fast hinfiel, weil seine Beine nach dem fünfstündigen Ritt nachgaben. Dann führte er Brewster in den Schuppen. Er bot zumindest einen gewissen Schutz, wenn auch der Regen durch zahllose Löcher im Dach hereintropfte. Dann hörte der Regen plötzlich auf - er hörte einfach auf. Na, das war etwas.
    Gray rief: »Jack? Wo bist du, du verdammter Narr?«
    Keine Antwort.
    Er sattelte Brewster ab und führte ihn zu Durban, der mit einem zerschlissenen Strick in einer halbwegs trockenen Ecke des Schuppens angebunden war. Durban kaute auf altem Stroh herum. Gray ließ die beiden Pferde zusammen stehen und ging in die einzige andere geschützte Ecke des Schuppens.
    »Jack?«
    Keine Antwort. Er fluchte. Als er den Jungen endlich erblickte, sah er nur seinen Kopf, der von dichtem blondem Haar bedeckt war. Er steckte bis zur Nase im Stroh, offenbar um sich zu wärmen. Anscheinend schlief er. Schläft hier friedlich wie ein Säugling im Stroh, während ich wie ein Irrer durch den Regen geritten bin, um ihn zu finden.
    Gray kniete sich neben den Jungen. Es war schon Morgen, und langsam wurde es hell. Ein erster Sonnenstrahl drang durch die Bretter.
    Gray hockte sich hin und starrte den Jungen ungläubig an. Langsam schüttelte er den Kopf, obwohl er wusste, dass er sich nicht irrte. »O Gott«, sagte

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