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Scharade der Liebe

Titel: Scharade der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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mir ein Pferd zu stehlen.«
    Der Junge wischte sich den Mund mit dem Taschentuch ab. Langsam stand er auf. Dann trat er plötzlich, ohne Vorwarnung, die Lampe weg und verschwand im dunklen Stall. Gray sprang auf. Er hörte ein Geräusch, reagierte aber nicht schnell genug. Die Laterne traf ihn hart am Hinterkopf, und er wurde bewusstlos.
    Er wusste nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war, hoffentlich nur ein oder zwei Minuten. Ja, mehr konnte es nicht sein. Schwankend stand er auf und stöhnte, als er merkte, wie weh ihm sein Kopf tat. Er rannte aus dem Stall und sah gerade noch, wie der Junge auf Durban die Straße hinunterritt.
    Er fluchte, zäumte Brewster auf und schwang sich auf seinen Rücken. Als er auf die Straße ritt, war von Durban nichts mehr zu sehen. Er gab Brewster die Sporen und galoppierte in die Richtung, in die er Durban hatte laufen sehen.
    Gray war schwindlig, und in seinem Kopf begann es zu pochen. Am liebsten hätte er diesen kleinen Dreckskerl umgebracht. Und das würde er auch, wenn er ihn zu fassen bekam.
    Wer, zum Teufel, war eigentlich Jack? Warum stahl er Durban? Wer war Sir Henry Wallace-Stanford? Nun, sie konnten ihren Verrückten Jack alle zurückhaben, wenn Gray mit ihm fertig war.
    Die Nacht war kalt und dunkel, und die Wolken hingen tief. Nur ein paar vereinzelte Sterne blinkten am Himmel. Die Mondsichel wurde immer wieder von Wolken verdeckt.
    Endlich erblickte er Durban. Der Junge hatte sich tief über seinen Hals gebeugt. Wo, zum Teufel, ritt er bloß hin?
    Das war in der Tat ein unerwarteter Ausgang eines sowieso schon anstrengenden Abends. Er dachte an Charles Lumley, der völlig betrunken auf dem Boden in seinem Schlafzimmer lag, sah ihn, wie er ihn zurückgelassen hatte, über den Nachttopf gebeugt, während er sich die Seele aus dem Leib kotzte, nachdem er gelobt hatte, seine Frau nie wieder zu schlagen. Er dachte an Jack und was er dem kleinen Mistkerl antun würde, wenn er ihn zu fassen bekam. All seine Wut auf Lumley übertrug sich auf den Dieb von Durban.
    Es waren nur noch wenige Kutschen unterwegs. Niemand hielt an, um den beiden Reitern, die durch die Straßen jagten, nachzusehen. Niemand schenkte ihnen Beachtung.
    Der Junge ritt nicht in die richtige Richtung. Gray hatte angenommen, dass er in südliche Richtung nach Folkstone reiten würde, aber er ritt nach Westen, aus London heraus. Das ergab keinen Sinn. Der Hyde Park verschwand in der Feme, und die Bäume schrumpften im Nebel zu einer grauen Masse.
    Ein paar Minuten lang verlor Gray Durban in dem dichten Nebel aus den Augen. Ah, da war er wieder. Gray sah ihn, als sie um eine Ecke bogen. Durban flog dahin, seine Hufe wirbelten den Staub auf. Er war genauso schnell wie Brewster, und er hatte einen guten Reiter.
    Nun, verdammt, früher oder später würde der Junge langsamer werden müssen. Durban konnte ein solches Tempo nicht sehr lange durchhalten - das konnte kein Pferd. Gray merkte, dass der Junge sich alle paar Minuten umsah, aber er glaubte nicht, dass Jack ihn schon gesehen hatte. Gut. Wahrscheinlich würde er Durban bald zurücknehmen, um seine Kräfte zu schonen. Sie waren jetzt aus der Stadt heraus, auf der Straße nach Reading. Wenn der Junge die Straße verließ, würde Gray ihn wahrscheinlich aus den Augen verlieren. Die Nacht war einfach zu schwarz, trotz des Mondscheins. Er musste ihn bald einholen, sonst konnte er ihn nicht mehr erkennen, und was sollte er dann machen? Zu den Tanten sagen: »Nun, Tante Mathilda, Tante Maude, euer Kammerdiener hat eins meiner Pferde gestohlen, aber ich habe seine Spur auf der Straße nach Reading verloren? Weiß eine von euch, warum er das getan hat? Was will er auf der Straße nach Reading? Vielleicht hat er etwas mit diesem kalt dreinblickenden Sir Henry Wallace-Stanford zu erledigen, der nach ihm gesucht hat?«
    Warum nur ritt der Junge nach Reading? Und dann vielleicht weiter nach Bath? Stammte denn Jack der Kammerdiener nicht genau wie die beiden Tanten aus Folkstone?
    Er sagte zu seinem Pferd: »Brewster, mein Junge, unser Durban ist in den Händen von Jack dem Kammerdiener, der nichts Gutes im Schilde führt, und ich habe keine Ahnung, was er vorhat. Ist der kleine Bastard wirklich verrückt? Das ist genau das, was ich im Moment brauche, einen verrückten, unausgebildeten Kammerdiener. Der Verrückte Jack. Das hat doch was, oder nicht? Oder wollte er vielleicht mein Silber stehlen? Wir müssen ihn einholen, damit Durban bald wieder nach Hause kommt.

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