Scharade der Liebe
und lehnst dich aus dem Fenster. Nein, wink nicht.« Er zog sie vom offenen Fenster zurück, erleichtert darüber, dass sie unten niemand bemerkt hatte, und packte sie wieder ins Bett. »Jetzt komm, du bist krank, Jack. Du musst dich warm halten.«
»Mir ist warm, du Narr«, erwiderte sie. »Ich verbrenne. Die Flammen züngeln schon auf meiner Haut. O Gott! Haben wir eine Schere? Ich will diese schrecklichen Haare abschneiden.«
Sie zog an ihren Haaren. Dann brach sie stöhnend auf seinem Bauch zusammen. Sanft legte er sie auf den Rücken und beugte sich über sie.
»Schon gut, ich werde versuchen, dich abzukühlen.« Sein Blick fiel auf die Schüssel mit kaltem Wasser, die neben dem Bett stand. Da er nichts anderes zur Hand hatte, benetzte er ihr Hemd und wusch sie ab. Er hätte schwören können, dass sie dabei schnurrte wie Eleanor.
Er ließ das feuchte, kühle Tuch so lange über sie gleiten, bis sie schließlich die Augen öffnete, ihn anlächelte und sagte: »Das ist sehr schön.« Ihr Kopf fiel zur Seite.
»O nein«, erwiderte er und stützte ihren Kopf mit seinem Arm ab. »Du musst erst noch etwas trinken.« Es gelang ihm, ihr ein ganzes Glas Wasser einzuflößen, bevor sie in seinen Armen wieder schlaff wurde.
Panik stieg in ihm auf, aber dann merkte er, dass sie nicht bewusstlos war, sondern schlief. Er deckte sie sorgsam zu und ordnete ihre Haare wie einen Heiligenschein um ihren Kopf. Dann stand er auf und zog sich an. Noch einmal legte er die Hand auf ihre Stirn. Sie fühlte sich kühler an. Gott sei Dank. Sie schlief.
Rasch verließ er das Zimmer.
7
Der Regen prasselte gegen die schmalen Fenster im Schlafzimmer. Blitze zuckten, gefolgt von krachenden Donnerschlägen, die die Scheiben erzittern ließen. Es war ein entsetzlich grauer, kalter und trüber Tag. Und er konnte nichts anderes tun als warten. So geduldig war er eigentlich gar nicht. Für ihn war es eine Zumutung, und beinahe hätte er ein Loch in den alten zerschlissenen Teppich, der auf dem Eichenboden lag, gelaufen, so oft ging er im Zimmer auf und ab.
Im Unterbewusstsein hörte sie das Prasseln des Regens, und als er Stunden später nachließ, wurde sie von der Stille wach. Sie lag da und spürte, dass sich etwas verändert hatte, wusste aber nicht genau, was geschehen war. Zuerst dachte sie, sie sei wieder in dem Schuppen, aber dann merkte sie, dass die Sonne durch die Fenster genau in ihr Gesicht schien.
Sie war bei irgendeinem dicken Vogel. Ein dicker Vogel? Wo? Nein, das stimmte nicht. Sie war in einem Gasthaus namens Die dicke Gans. Erleichtert stieß sie einen tiefen Seufzer aus.
Sie war mit dem Baron hier. Mit Gray. Das war ein hübscher Name. Er hatte ihr nie seinen Namen gesagt. Sie hatte nur gehört, wie die Tanten von ihm geredet hatten. Aber sie erinnerte sich an sein breites Lächeln, mit dem er jede Frau bezaubern konnte, und in der Erinnerung daran musste sie selber lächeln.
Er war nicht da. O Gott, hatte er sie allein gelassen? Hatte er Durban und Brewster mitgenommen und war nach London geritten?
Ihr Lächeln erlosch, und sie schluckte. Sie hatte Durst. Schrecklichen Durst, sie verdurstete beinahe. Ein Wasserkrug stand auf einem kleinen Tisch neben dem Bett.
Sie musste erst einmal etwas trinken. Dann konnte sie sich Gedanken darüber machen, ob Gray sie verlassen hatte.
Gray öffnete die Tür zum Schlafzimmer und sah, dass sie wild mit den Armen ruderte, um nicht aus dem Bett zu fallen. Sie schaffte es nicht, und er war nicht schnell genug bei ihr. Eingewickelt in Decken und Laken, purzelte sie auf den Fußboden.
Fluchend kniete er sich neben sie.
»Rüben«, krächzte sie. »Meine Mutter gibt dir Rüben zu essen.«
Er grinste sie an. »Gut, du hast dir also nicht den Hals gebrochen.« Dann hob er sie wieder aufs Bett.
»Ich wollte an das Wasser kommen.«
»Halt still.« Er reichte ihr ein Glas Wasser, und sie stürzte es hinunter, dann sank sie zurück in die Kissen. Ein paar Tropfen liefen ihr übers Kinn. Er wischte sie mit dem Finger ab.
Sie betrachtete ihn eingehend. »Du bist gar nicht mehr zerknittert. Heute siehst du wirklich wie ein Baron aus.«
»Keine Falten mehr. Squire Leon hatte Mitleid mit mir.« Er schwieg. »Du bist wach und redest klar. Ich hatte mich schon an ein stöhnendes, schwitzendes Mädchen gewöhnt, das gelegentlich unanständige Sachen sagt, von einem Frosch namens Fred redet oder mir erzählt, wie ihr älterer Vetter sie jedes Jahr am ersten Mai in einen Brunnen geworfen
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