Scharade der Liebe
Junge wäre, wäre es etwas anderes. Aber sie ist ein Mädchen, und sie sieht lächerlich aus mit ihren unterschiedlichen Augen. Und jetzt hat sie zudem noch angefangen zu stottern. Mrs. Finch mag sie auch nicht.«
Gray trat an Sir Henry vorbei ins Haus.
»Nun, Mylord?«
Gray drehte sich langsam um und lächelte. »Darf ich fragen, wie Ihr es mir schmackhaft machen wollt, das Kind zu mir zu nehmen?«
Jack drückte sich an die Treppe. »O Gray«, dachte sie, »bitte treibe es nicht zu weit.«
»Was verlangt Ihr?«
Gray runzelte nachdenklich die Stirn. »Geld«, sagte er.
»Ihr wollt Geld, wenn Ihr das Kind mitnehmt?«
»Ja«, erwiderte Gray. »Einigen wir uns darauf, dass Ihr mir hundert Pfund im Jahr bezahlt. Das wird für Essen und Kleidung ausreichen.«
»Wollt Ihr sie wie eine Königin anziehen? Zehn Pfund und keinen Pfennig mehr!«
»Nun gut, fünfzig Pfund, aber auf weniger lasse ich mich nicht ein. Vergesst nicht, ich muss schließlich noch ihr Kindermädchen bezahlen. Außerdem brauche ich ein von Euch unterschriebenes Dokument, dass ich nun Georginas Vormund bin. Ihr werdet mir jede Verantwortung und Gewalt über sie abtreten, Sir Henry.«
»Ja, ja, sicher.« Fast hätte sich Sir Henry zufrieden die Hände gerieben. Er glaubte, er hätte einen großen Sieg errungen. Umso besser.
»Dann lasst es uns erledigen«, sagte Gray. »Jack ist nicht besonders gern hier, wie Ihr Euch wohl vorstellen könnt. Wir reisen ab, sobald alle Papiere unterzeichnet sind. Gibt es einen Anwalt in der Nähe?«
Um drei Uhr nachmittags stieg Gray in die Kutsche und setzte sich seiner Frau gegenüber. Neben Jack saß ihre kleine Schwester, warm eingepackt in einen von Jacks alten Umhängen. Bis die Kutsche Carlisle Manor verlassen hatte und auf der Landstraße dahinrumpelte, sagte niemand ein Wort.
Schließlich fragte Jack: »Glaubst du, mein Stiefvater schickt dir fünfzig Pfund für Georgies Unterhalt?«
»O nein. Aber das ist egal. Ich musste nur genauso gierig wirken wie Sir Henry, weil er sonst alles durchschaut und mir Georgie nur angeboten hätte, wenn ich ihm etwas für sie bezahlte.«
»Er ist widerlich!«
»Das stimmt, aber wenn er Mrs. Finch heiratet, dann bekommt er, was er verdient.«
»Warum glaubst du das?«
»Als ich mich bei Darnley und Mrs. Smithers für ihre Mithilfe bedankte, erzählten sie mir, einer der Diener im Cit Palace habe herausgefunden, dass Mrs. Finch mit einem sehr reichen Mann verheiratet war, der kurz nach der Hochzeit verstarb.«
»War er schon alt?«
»Nicht über sechzig. Aber das war gar nicht das Wesentliche.«
»Was denn?«
»Mrs. Finch ist bereits zum vierten Mal Witwe geworden.«
»Ach, du meine Güte!« Jack presste sich die Knöchel an den Mund. »Du meine Güte! Aber Gray, mein Stiefvater ist weder alt noch reich.«
»Ach, glaubst du etwa, Mrs. Finch liebt ihn?«
»Er sieht ausnehmend gut aus. Er kann sehr charmant sein. Meine Mutter weigerte sich bis zu ihrem Tod, etwas Schlechtes von ihm zu denken.«
»Das mag sein, wie es will«, meinte Gray und beugte sich vor, um Georgies Kragen zurechtzuzupfen. Das Kind blickte ihn schweigend an. »Lord Rye ist anscheinend auch an der Dame interessiert. Sie ist offenbar schon in seiner Begleitung gesehen worden.«
Jack lachte. Sie zog Georgie an sich und küsste sie auf den Scheitel. »Dein Haar, Georgie, glänzt wie Seide. Was meinst du?«
»I-Ich h-habe P-P ...«
»Deinen Papa?«
Das kleine Mädchen nickte. Gray fragte sich, ob sie wohl jemals in der Lage sein würde, den Namen ihres Vaters auszusprechen.
»Er s-sagte zu sich, d-dass er es eben sch-schlucken und d-die Hexe h-heiraten müsse. A-aber nicht l-lange.«
Die beiden Erwachsenen blickten das Kind erstaunt an. »Na, das ist ja vielleicht eine Geschichte«, sagte Gray schließlich.
»Meinst du, die beiden versuchen, sich gegenseitig hereinzulegen?«
»Möge der oder die Beste gewinnen«, sagte Gray. Er strich leicht mit den Fingerspitzen über Georgies Wange. »Du hast ein ausgezeichnetes Gedächtnis, Georgie. Na, was meinst du, wie wird dir London gefallen?«
»W-w-was ist Lonnon?«
22
»Ich hätte nicht gedacht, dass das Kinderzimmer so schnell mit Leben erfüllt wird«, sagte Gray, während er zusah, wie Jack Georgie in ein Kinderbett packte, das eilig vom Speicher geholt worden war. Hatte es seiner Großmutter gehört? Er wusste es nicht. Es war einfach nur uralt.
»Nein, das habe ich auch nicht geglaubt«, erwiderte Jack, nachdem sie ihrer kleinen
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