Scharade der Liebe
Schwester ein Schlaflied vorgesungen hatte. Sie lächelte Dolly an und fügte hinzu: »Wir haben Glück, dass Dolly Georgie so liebt und mit uns kommen wollte. Ich hatte schon befürchtet, dass es zu viele Veränderungen für die Kleine geben würde. Als die Schwester meines Stiefvaters kam, um sie mit nach York zu nehmen, dachte ich, dass Georgie zusammenbricht. Sie wurde ganz still, so als ob sie meinte, wenn sie nur leise wie ein Mäuschen wäre, dann würden sie alle übersehen. Das Stottern ist auch neu. Das liegt wahrscheinlich an all den Veränderungen und der Ungewissheit. Aber jetzt wird es ihr, dank dir, Gray, wieder gut gehen.«
Wieder diese schreckliche Dankbarkeit, die er nicht wollte. Sie sprang lachend auf ihn zu, küsste ihn aufs Kinn und auf die Nasenspitze, und er beugte sich herunter, um sie ebenfalls zu küssen. »Danke«, sagte sie leise. Am liebsten hätte er gar nicht mehr aufgehört, sie zu küssen, aber Dolly stand da und blickte errötend zu Boden. Georgie war noch nicht eingeschlafen, und außerdem war auch noch Mrs. Piller aufgetaucht. Also hielt er inne und drückte nur noch seine Stirn an Jacks Kopf.
»Mylord«, flüsterte sie und fuhr sanft mit der Fingerspitze über sein Kinn, »du bist so klug, dass ich beschlossen habe, noch mehr Unterricht im Reizen bei dir zu nehmen. Außerdem muss ich auch üben, was du mir bereits beigebracht hast. Ich möchte schließlich nichts vergessen.«
Gray riss sich zusammen und sagte: »Dolly, das ist Mrs. Piller. Sie ist die beste Haushälterin in ganz London. Sie kennt mich, seit ich drei Jahre alt war, und sie beschwert sich schon seit einiger Zeit, dass dieses Haus endlich einmal wieder von Kinderlachen erfüllt sein sollte. Sie hat mir gesagt, dass du das Schlafzimmer gegenüber vom Kinderzimmer bekommen sollst. Danke, dass du mit uns gekommen bist.«
Dolly, die mit ihren achtzehn Jahren genauso alt wie Jack war, erwiderte in ehrfürchtigem Tonfall: »Es war schon immer mein Traum, Mylord, hier in London zu sein. Mein Traum.«
Als Dolly mit Mrs. Piller zu ihrem Schlafzimmer gegangen war, sah Jack noch einmal nach ihrer kleinen Schwester, die mittlerweile eingeschlafen war. Gray sagte: »Ich habe gesehen, wie du Dolly betrachtet hast. War da etwa ein klein wenig Eifersucht in deinen blauen Augen?«
»Eifersucht auf Dolly? Sie errötet vielleicht ein bisschen zu oft in deiner Gegenwart, aber ich schwöre, ich bin nicht eifersüchtig.«
»Nein, nein, Jack, so habe ich das nicht gemeint. Sie errötet, weil du mich immer in ihrer Gegenwart küsst. Nein, ich meinte, ob du eifersüchtig bist, weil Dolly Georgie so nahesteht.«
Jack dachte einen Augenblick lang darüber nach. Dann gestand sie: »O Lieber, ich glaube, du hast Recht. Das macht mich nicht gerade zu einem wertvollen Menschen, nicht wahr, Gray?«
»Nach und nach wirst du deine weniger liebenswerten Züge ablegen, je länger wir verheiratet sind. Vertrau mir. Ich werde dich zu einem vollkommenen weiblichen Wesen machen. Am Ende des Jahres wirst du alle anderen Frauen bei weitem übertreffen.«
»Mylord.«
Gray drehte sich lächelnd um. »Ja, Quincy?«
»Der Earl von Northcliffe ist hier. Er hat seine Gattin,
die Gräfin, mitgebracht, damit sie Ihre neue Ladyschaft kennen lernt.«
»Neuigkeiten verbreiten sich erschreckend rasch in London. Wir sind doch erst seit einer knappen Stunde zu Hause.«
»Eher seit ungefähr eineinhalb Stunden, Mylord.«
»Danke, Quincy. Komm, Jack, und lerne Alexandra Sherbrooke kennen. Sie ist eine erstklassige Lady.«
Jack hatte keine Ahnung, ob die rothaarige Gräfin von Northcliffe nun wirklich so erstklassig war oder nicht. Sie redete zwar, aber nur mit Jack und Gray. Ansonsten schwieg sie. Sie sah ihren Mann nicht an und setzte sich so weit wie möglich von ihm weg. Was war hier los? War sie wegen irgendetwas böse? War sie schrecklich schüchtern? Hasste sie Douglas Sherbrooke?
Alexandra war klein und zierlich, hatte jedoch einen prächtigen Busen, wie Jack bemerkte, als Quincy ihr den Umhang abnahm. Douglas Sherbrooke dagegen war ein großer Mann, der seine Frau um einiges überragte. Du meine Güte, dachte Jack, er musste im Bett sicher ständig Angst haben, seine Frau zu erdrücken. Sie verweilte noch eine Zeit lang bei dem Gedanken, und als Gray zu ihr hinübersah, war ihr Gesicht gerötet, und ihre blauen Augen glänzten.
Gray blickte Douglas Sherbrooke an. Offensichtlich redeten der Graf und die Gräfin nicht miteinander. Und wenn das
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