Scharade der Liebe
ist er wenigstens wieder bei Bewusstsein!«
Er reichte Horace den Brief. »Schau dir die Schrift an. Er hat ihn selbst geschrieben, aber er ist noch schwach. Manche Buchstaben kann man kaum erkennen.«
Horace überflog den Brief.
Dann blickte er auf und sagte: »Lord Burleigh ist Euer Pate.«
»Ja«, erwiderte Gray. »Und er ist der Vormund von Ihrer Ladyschaft.«
»Wenn Lord Burleigh so schwach ist, wie nach der Schrift zu beurteilen, dann solltet Ihr Euch besser rasch baden und ankleiden.«
»Ja«, erwiderte Gray und stieg in die Wanne. Während er sich wusch, fragte er sich, was wohl so dringend sein mochte.
25
»Mylord«, sagte Gray, während er Lord Burleighs Hand ergriff. Es fiel ihm schwer, ruhig zu klingen. Statt des kräftigen Mannes, den er sein ganzes Leben lang gekannt hatte, sah er jetzt einen gebrechlichen alten Mann vor sich, der kaum Ähnlichkeit mit Lord Burleigh hatte. Gray hätte am liebsten geweint angesichts der Unvermeidlichkeit des Todes.
»Grayson«, sagte Lord Burleigh lächelnd zu dem jungen Mann, den er geliebt hatte, seitdem er ihn als drei Tage alten Säugling in den Armen gehalten hatte. »Mein Junge, wie schön, dich anstelle dieses verdammten Arztes zu sehen - der verfluchte Folterknecht. Nein, nein, ich habe dich nicht an das Totenbett eines alten Mannes bestellt. Ich habe dich viel zu gern, um in deiner Gegenwart den Löffel abzugeben. Setz dich. Angela gibt dir eine gute Tasse Tee.«
Lady Burleigh, seit achtunddreißig Jahren die Gattin von Lord Burleigh, reichte Gray eine Tasse Tee, dann nickte sie ihm zu und setzte sich wieder auf die andere Seite des Bettes. Sie ergriff die Hand ihres Mannes.
Lord Burleigh hatte die Augen geschlossen.
»Er ruht sich jetzt einen Moment aus, und dann redet er wieder«, sagte sie. »Er kommt langsam wieder zu Kräften, aber es dauert seine Zeit. Er darf nichts überstürzen. Nein, guck nicht so erschrocken. Er wird wieder gesund. Trink deinen Tee, Grayson.«
»Ich habe ein dringendes Schreiben von ihm erhalten, Mylady. Ich habe es erst heute früh gelesen.«
»Ja«, sagte Lord Burleigh, immer noch mit geschlossenen Augen. »Du bist sofort hierher gekommen. Nun, meine Liebe, würdest du bitte Snell, der ständig dort drüben an der Tür herumlungert, mitnehmen, ihm sagen, er solle sich nicht so viele Sorgen machen, und Grayson und mich allein lassen?«
»Aber Charles ...«
»Nein, Angela. Behandel mich nicht, als ob ich bereits mit einem Bein im Grab stünde. Es ist wichtig. Bitte.«
Er schwieg wieder. Schließlich zogen sich Lady Burleigh und Snell aus dem Krankenzimmer zurück. Gray fiel auf, dass alle Vorhänge zurückgezogen waren und helles Sonnenlicht den Raum erfüllte. War es allen gleichgültig, dass Lord Burleigh helles Licht hasste? Er trat zu den Fenstern und zog die Vorhänge zu. Jetzt lag der Raum im Dämmerlicht.
»Ah, Gott segne dich, mein Junge. Ich hasse dieses verdammte Licht. Es tut mir im Kopf weh. Aber meine liebe Frau besteht darauf, dass alles Leben und Wohlbefinden von der Sonne ausgeht.« Lord Burleigh lachte leise. »Wenn sie wüsste«, flüsterte er und hustete.
»Mr. Harpole Genner hat mich daran erinnert, dass Ihr die Dunkelheit vorzieht. Nun, Mylord, wir sind allein. Diese Botschaft, die Ihr mir geschickt habt... Ihr schriebt, es sei äußerst dringend, dass ich herkomme. Was ist los, Sir? Womit kann ich Euch dienen? Ich will alles tun, was in meiner Macht steht.«
»Deine Ehe«, sagte Lord Burleigh und packte Grays Hand. »Mein Junge, ich hatte keine Ahnung, dass du Winifrede Levering Bascombe kennst, keine Ahnung.« Er schwieg, und sein Atem ging flach.
Gray blickte auf die schlaffe Haut an Lord Burleighs Händen. Dann blickte er auf seine eigenen starken, festen Hände mit den langen, schlanken Fingern. Einen Augenblick lang schloss er wartend die Augen. Was war los? Was war mit Jack?
Als Lord Burleigh wieder die Augen öffnete, sagte Gray: »Ja, Mylord. Ihr wart sehr krank, als ich Euch brauchte, um zu heiraten. Mr. Genner und Lord Bricker billigten die Verbindung an Eurer Stelle. Sie glaubten, genau wie ich, dass Ihr entzückt sein würdet über die Ehe, weil sie Euer Mündel ist und ich Euer Pate bin.«
In Lord Burleighs Wange zuckte ein Muskel. Gray fuhr fort: »Ich habe sie erst vor dreieinhalb Wochen kennen gelernt. Soll ich Euch erzählen, wie es dazu kam?«
»Nein, das spielt jetzt keine Rolle. Wie du dir denken kannst, haben mir Harpole Genner und Lord Bricker von eurer Hochzeit
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