Scharade
Thanksgiving-Truthähne, um kleine Fingerabdrücke herum gemalt, und Weihnachtsengel, die eine beunruhigende Ãhnlichkeit mit Halloween-Fledermäusen hatten. All das Kunstwerke einer groÃen Enkelschar.
Sie beantwortete das Klopfen an der hinteren Küchentür mit einem Lächeln und bedeutete ihrem Besucher mit einem Winken, hereinzukommen.
»Allen in der Nachbarschaft läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Ich konnte die Kekse bereits riechen, als ich aus der Tür kam.«
Ihr rundliches Gesicht war gerötet von der Hitze des Backofens. Als sie lächelte, gruben sich Falten in die Winkel ihrer lebhaften, arglosen Augen. »Greifen Sie doch zu, solange sie noch warm sind.« Sie deutete auf das Gebäck.
»Nein. Die sind doch für Ihre Party.«
»Nehmen Sie einen. Ich möchte Ihre Meinung hören. Aber seien Sie ehrlich.« Sie nahm einen der Kekse und hielt ihn ihrem Besucher erwartungsvoll hin.
Weil es unhöflich wäre, abzulehnen, griff der Besucher zu. »Mm. Köstlich. Genauso hat meine Oma sie auch immer gebacken.«
»Sie haben mir nie von Ihrer Familie erzählt. In den ganzen drei Monaten nicht, die wir nun schon Tür an Tür wohnen.« Ihm den Rücken zukehrend, machte sie sich daran, die Töpfe, MeÃbecher und Schüsseln auszuspülen, die sie in der Spüle eingeweicht hatte.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Mein Vater war beim Militär. Wir sind sehr oft umgezogen, als ich ein Kind war. Zwölf Klassen, zwölf Schulen.«
»Das kann sehr hart für ein Kind sein.« Ihr für gewöhnlich heiteres Lächeln wurde zu einem mitfühlenden Stirnrunzeln.
»Aber, aber! Keine betrübten Gedanken heute! Das ist ein Befehl! Ich erkläre diesen Tag zum Tag Ihrer Feier! Ihrem Tag.«
Sie kicherte wie ein kleines Mädchen, auch wenn sie schon weit in den Fünfzigern war. »Ich habe noch soviel zu erledigen bis heute nachmittag. Fred macht früher Schluà heute. Hat gesagt, daà er bis um zwei zu Hause ist. Die Kinder müÃten mit ihren Familien so gegen fünf kommen.«
»Sie können doch unmöglich alles allein machen. Lassen Sie mich Ihnen helfen. Spannen Sie mich ruhig ein. Ich hab mir extra den Tag frei genommen, um Ihnen zur Hand zu gehen.«
»Oh, das wäre aber nicht nötig gewesen!« rief sie. »Wird Ihr Chef da nicht böse sein?«
»Und wenn schon. Ich hab ihm gesagt, welch groÃes Glück ich habe, neben einer ganz besonderen Dame zu wohnen, und daà ich ihr, ob es ihm paÃt oder nicht, helfen werde, ihr zweites Jahr mit einem neuen Herzen feierlich zu begehen.«
Sie war gerührt. Tränen glitzerten in ihren Augen. »Ich habe solch ein Glück gehabt. Ein Segen war es. Wenn ich dran denke, wie knapp es war...«
»Hey, nichts davon jetzt. Vergessen Sie meine Anordnung
nicht. Heute wird gefeiert. Womit wollen wir anfangen?«
Sie tupfte sich mit einem bestickten Tuch die Augen ab, dann steckte sie es wieder in ihre Schürze. »Sie können eigentlich schon mal die zusätzlichen Stühle aufklappen und hinstellen, während ich die Blumen gieÃe.«
»Zeigen Sie mir, wo.«
Sie gingen hinüber ins Wohnzimmer. Es war gemütlich und hell. An einer Wand befand sich eine gläserne Schiebetür, die zum Innenhof führte. Um die Morgensonne einzufangen, war ein groÃer Farn an der Decke befestigt worden, direkt vor der breiten Fensterfront.
»Ich nehme mal an, daà Fred den Farn sonst immer gieÃt. Sie kommen da ja wohl nicht dran, oder?«
»Ach, das ist gar nicht so schwer«, sagte sie. »Ich benutze eine Trittleiter.«
Ein Jahr lag der tragische Unfall des Ward-Jungen in Memphis nun zurück. Zwölf Monate sorgfältiger Planung waren vergangen. Auch wenn es an den Nerven zerrte, so war dieses Warten doch nötig. Die Vorgehensweise war entscheidend bei dieser Mission. Ohne Ordnung und Disziplin würde es der reinste Wahnsinn sein.
Die längste Zeit dieses Jahres waren die Stunden nach Mitternacht letzte Nacht gewesen. Sie waren so lang erschienen wie sämtliche Stunden zuvor zusammen. Jede Sekunde war in freudiger Erwartung gezählt worden. Nun war das lange Warten fast vorüber; nur noch Minuten, und die Erwartung würde erfüllt werden.
»Schau her, meine Liebste, ich tue das für dich. Es ist ein Beweis der Liebe, die nicht einmal der Tod zu bezwingen vermag.
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