Scharfe Pranken
verschwunden, und Bo fragte sich, worauf zur Hölle er sich da bloß eingelassen hatte.
Dee steuerte auf das Sportzentrum zu, als Blayne Thorpe plötzlich aus der Tür geschossen kam und die Straße hinunterskatete.
Dees Hände ballten sich zu Fäusten, und sie knurrte so laut, dass die Vollmenschen, die auf dem Weg zur Arbeit waren, vor ihr zurückwichen.
Dieses Mädchen! Dieses verdammte Mädchen! Blayne hüpfte durch die Welt wie eine Springbohne. Hier, dort, verdammt noch mal überall! Wie sollten Dee und ihr Team die kleine Idiotin ständig im Auge behalten, wenn sie die ganze Zeit durch die Gegend hüpfte?
Es war schlimm genug, dass Dee überhaupt gezwungen war, sich damit abzugeben. Es war schlimm genug, dass die Van-Holtz-Männer, die die Gruppe leiteten – die Organisation, für die sie momentan arbeitete – auf diesem Sicherheitsaufgebot für eine einzige Wolfshündin bestanden. Es war schlimm genug, dass Blayne Thorpe jedes Mal, wenn Dee ihr begegnete, so laut ihren Namen brüllte, als befänden sie sich an gegenüberliegenden Enden der Welt. Aber für Dee war es der Gipfel der Beleidigung, dass sie eine Frau beschützen musste, die sie eher für einen getarnten Zwergpudel als für ein Raubtier hielt, bei dem es sich lohnte, es zu entführen.
In den vergangenen zwei Monaten hatte Dee Niles Van Holtz immer wieder angefleht, sie von dieser bescheuerten Aufgabe zu entbinden. Sie von der Leine zu lassen, damit sie sich um wichtigere Dinge kümmern konnte als um die Sicherheit dieser energiegeladenen Idiotin. Aber hörte er zu? Nein. Zumindest nicht ihr. Stattdessen hörte er auf seinen Neffen/Cousin/direkten Blutsverwandten – oder wie auch immer er ihn nennen mochte, verdammt: auf Ulrich Van Holtz. Und der gute Ulrich war furchtbar besorgt um Blayne Thorpe, das nutzlose Mädchen.
Normalerweise hätte sich Dee schon längst nicht mehr mit dieser Schlampe abgegeben. So dringend brauchte sie das Geld nun auch wieder nicht. Aber die Gruppe hatte das Potenzial, ihr das zu geben, was sie sich langfristig wünschte. Dee hatte stets das große Ganze im Blick, und sie plante bereits die Gründung einer eigenen Abteilung. Aber bis sich jemand – irgendjemand! – Blayne Thorpe schnappte, nur weil sie eine Hybride war, und die Gruppe diese Vollmenschen dann auf frischer Tat dabei ertappen und anschließend erledigen konnte, steckte Dee fest und musste auf diesen … diesen … Pudel aufpassen!
Dee ließ ihre Halswirbel knacken, stieß einen Seufzer aus und folgte Blayne. An der Ecke wäre sie beinahe mit ihr zusammengestoßen, als sich herausstellte, dass die Wolfshündin in die falsche Straße abgebogen war – mal wieder. Natürlich hatte Blayne Dee nicht entdeckt. Sie nicht gerochen. Wusste nicht, dass sie verfolgt wurde. Wie immer war sie vollkommen ahnungslos.
»Nutzloser Zwergpudel«, knurrte Dee und beobachtete, wie die Vollidiotin durch die dichte Menschenmenge der Stadt davonskatete.
Dann ergab Dee sich wieder in ihr Schicksal und heftete sich an Blaynes Fersen.
Kapitel 5
Blayne rollte ins Büro. Auf ihrem Schreibtisch standen ein Riesenbecher aus ihrem Lieblings-Smoothie-Laden und eine Schachtel, die höchstwahrscheinlich ihre liebsten zuckerfreien Donuts aus der Vollkornbäckerei zwei Häuser weiter enthielt – ein Laden, den Gwen nach eigenen Angaben noch nicht einmal betreten würde, wenn man ihr eine Knarre an den Kopf hielte, weil sie »diese ganzen verdammten Hippies« hasste. In Gwens Augen qualifizierten sich alle, die kein Fleisch aßen, als Hippies. Blayne hingegen ging gerne in die Bäckerei und gönnte sich die zuckerfreien Leckereien.
Blayne hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, dass Zucker und/oder Koffein in ihrem System wie ein Freifahrtschein für eine Nacht im Gefängnis wirkten. Bei den meisten Leuten waren es Alkohol oder harte Drogen, bei Blayne reichte weitaus weniger. Daher vermied sie Zucker und Koffein so weit wie möglich, besonders, wenn sie arbeiten musste.
Gwen saß an Blaynes Schreibtisch, Mitch – nur halb wach und wahrscheinlich nicht allzu glücklich darüber, dass er so früh im Büro hatte antanzen müssen – auf dem einzigen Besucherstuhl, der noch in den Raum gepasst hatte.
»Hi, Blayne.« Gwen lächelte sie an. »Wie geht’s?«
»Gut«, murmelte sie und hielt ihren Kopf gesenkt. Schlachtete Blayne die Tatsache schamlos aus, dass ihre Freundin sich wegen der Dinge, die sie gesagt hatte, schrecklich fühlte? Ähm …
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