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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. A. Aiken
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Er hatte sie noch nicht ein einziges Mal angemacht oder sich ungebührlich verhalten, und auch wenn sie ihn noch hin und wieder dabei ertappte, wie er sie anstarrte, löste das bei ihr nicht mehr das Bedürfnis aus, davonzurennen.
    Wenn sie ehrlich zu sich war – und um halb sechs Uhr morgens konnte sie nur ehrlich zu sich sein –, gefiel es ihr sogar, wenn er sie anstarrte.
    Unterm Strich bescherte all dies Bo Novikov in Blaynes Großem Buch der Logik einen Eintrag als Freund. Sie kicherte. Wer hätte das gedacht?
    Lächelnd widmete sie sich pflichtbewusst wieder der Aufgabe, sich die Zähne zu putzen.
    Sie hatte gerade die Zahnpasta ausgespuckt, als ihr Handy klingelte. Sie rannte ins Schlafzimmer, stolperte über eine Schachtel mit alten Steuerunterlagen, die sie mitten im Weg hatte stehen lassen, und knallte gegen einen Stuhl, den sie am Abend zuvor auf der Suche nach einer Zeitschrift, die sie hatte lesen wollen, weggerückt hatte. Humpelnd ging sie zum Bett und zog das komplette Bettzeug herunter, bis sie das Telefon endlich fand. Das Klingeln brach ab, begann jedoch wenige Sekunden später erneut, da ihre Freunde wussten, dass sie ihr Handy nie finden konnte.
    »Hallo?« Das Telefon klingelte in ihrem Ohr, und Blayne wurde klar, dass sie den Anruf gar nicht entgegengenommen hatte.
    »Hallo?«, sagte sie erneut, nachdem sie die Verbindung hergestellt hatte.
    »Hi, Blayne. Hier ist Jess.«
    »Hey, Jess. Was gibt’s?«
    »Wir haben hier einen kleinen Notfall und könnten wirklich deine Hilfe gebrauchen.«
    »Ich bin sofort da.« Blayne legte auf, flitzte durchs Zimmer und versuchte, saubere Klamotten zu finden. Sie hatte nicht gefragt, was Jess für ein Problem hatte, da sie wusste, dass die Wildhunde sie nicht angerufen hätten, wenn es nicht wirklich wichtig gewesen wäre. Sie waren eine sehr eigenständige Gruppe und kümmerten sich für gewöhnlich selbst um ihren Kram. Davon abgesehen handelte es sich vermutlich um ein Klempnerproblem, und Blayne wollte keine Zeit verlieren. Wenn sie sich beeilte, konnte sie zu ihnen fahren, ihnen helfen und trotzdem noch pünktlich zu ihrem Training mit Novikov kommen. Ein Kinderspiel.
    Zumindest dachte sie das, bis sie im zugefrorenen Garten der Kuznetsov-Meute stand.
    »Wie lange macht sie das schon?«
    »Seit Dee sie vor etwa einer Stunde hergebracht hat. Als sie nicht aufgehört hat, sind wir ein bisschen in Panik geraten.«
    Blayne verstand, warum. »Und sie hat nicht mal zwischendurch aufgehört?«
    »Nicht ein Mal.«
    Blayne trieb die Top Fünf der Kuznetsov-Meute, wie sie sie nannte, mit einer Handbewegung zurück ins Haus. Zu den Top Fünf gehörten Jess, Sabina, May, Phil und Danny. Sie waren die ersten Mitglieder des Kuznetsov-Clans und, wie Blayne gerne scherzte, die Macht hinter dem Thron.
    »Erklärt mir noch mal, warum Dee irgendwelche Kinder zu euch bringt.«
    »Dee meinte, die Kleine bräuchte einen Platz, an dem sie bleiben kann, und hat gefragt, ob es uns was ausmachen würde.«
    Und natürlich tat es das nicht. Der älteste Welpe des Rudels war Kristan, eine Wolfshündin. Ihretwegen hatten die Kuznetsovs mehr Verständnis für Wolfshunde als die meisten anderen, und Blayne war sehr dankbar dafür.
    »Das arme Ding hat auf der Straße gelebt«, sagte May. »Und davor in einer vollmenschlichen Pflegefamilie.«
    »Sie braucht psychiatrische Betreuung«, fügte Sabina hinzu, und der Reaktion der anderen nach zu urteilen, hatte sie diese Ansicht an diesem Morgen schon des Öfteren geäußert. »Oder Medikamente.«
    »Nein«, erwiderte Blayne. »Keine Medikamente. Es sei denn, du willst sehen, wie sie wirklich durchdreht.«
    »Und was machen wir dann?«
    Blayne packte Jess am Arm und sah auf die riesige Uhr, die sie stets trug. Dies war vermutlich genau die Art von Uhr, die sich Novikov für Blayne wünschte, aber das verdammte Ding sah aus, als wiege es eine Tonne. Das kann doch unmöglich bequem sein.
    »Okay. Ich hab noch ein bisschen Zeit.«
    »Zeit wofür?«
    Blayne verwandelte sich, zog sich aus und rannte zur Hintertür. Danny öffnete ihr die Tür, und sie rauschte die Treppe hinunter in den Garten hinaus. Sie rannte um die junge Hündin herum, bis sie deren Aufmerksamkeit erregt hatte. Mit einem Stolpern kam sie zum Stehen und betrachtete Blayne. Im selben Moment sprang Blayne über sie hinweg, landete auf der anderen Seite und kauerte sich spielerisch hin. Die Kleine beobachtete sie verwirrt, rührte sich jedoch nicht. Zunächst. Nachdem Blayne

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