Scharfe Pranken
nach Thailand.«
»Ihr wisst, dass ich für die Reise bezahlt hätte.«
»Wir wollen nicht, dass du denkst, wir nehmen dich aus.«
»Ihr nehmt mich sehr wohl aus.«
»Ja … aber wir wollen nicht, dass du das denkst.«
Bo funkelte die beiden über seine Schulter hinweg an und murmelte: »Vielleicht hat sie ja doch recht.«
»Vielleicht hat wer recht? Und womit?«
»Blayne. Sie scheint der Ansicht zu sein, ich bräuchte ein Umstylen meiner Persönlichkeit.«
»Was stimmt denn nicht mit deiner Persönlichkeit?«
»Anscheinend ziehe ich nur Kriminelle an.«
»Oh.«
Keiner der beiden Füchse widersprach. Bo konnte seinen Blick wieder nach vorn richten und sagte laut: »Ich hab keine Ahnung, was sie vorhat. Sie behauptet andauernd, dass sie mir helfen will.«
»Weil sie dich mag«, erklärte Sami, »mischt sie sich ein. Sie steckt dich in eine sichere Ecke.«
»Ich will aber nicht in eine sichere Ecke.«
»Dann mach einfach weiter das, was du bisher gemacht hast.«
»Und wie soll mir das helfen?«
»Erstens: Such nicht nach Logik. Du hast dir die unlogischste Hybride auf dem Planeten ausgesucht. Zweitens: Sie ist eins von diesen Mädchen, die immer mit einem Typen ›befreundet‹ sein müssen«, sie hob ihre Hände und zeichnete Gänsefüßchen in die Luft, »bevor er sich Hoffnungen machen darf, ihr näher zu kommen. Aber wenn sie so weit ist, hat er längst ein Mädchen gefunden, das all das nicht braucht, und die Wolfshündin ist nur noch wie eine Schwester für ihn. Glaub mir, sie hat Tausende Kumpel und Brüder in den umliegenden Bundesstaaten. Wenn du mehr von ihr willst, dann musst du etwas dafür tun.«
»Es macht mir nichts aus, etwas dafür zu tun. Es ist nur …«
»Nur was?«
»Ihr mangelhaftes Zeitmanagement macht mir wirklich Sorgen.«
Sander lehnte sich nach vorn und legte eine Hand auf Bos Schulter. »Wird dich ihr mangelhaftes Zeitmanagement immer noch nerven, wenn sie ihre unfassbar langen Beine um deinen Kopf wickelt?«
Bo dachte einen Moment darüber nach und antwortete dann wahrheitsgemäß: »Nein.«
»Und warum sitzen wir dann noch hier und diskutieren darüber?«
Damit hatte der Fuchs nicht ganz unrecht.
Kapitel 9
»Wir können sie nicht hierbehalten.«
Nach nicht einmal drei Stunden Schlaf war Dee nicht in der Stimmung für New Yorker Unhöflichkeit. Und das hier war unhöflich.
»Warum nicht?«
»Ich zeig’s dir.« Der Kojote führte Dee zu den Hauptbüros hinunter. Sie hatte eigentlich erwartet, dass er sie ins »Tierheim« führen würde, wie der Rest der Gruppe es nannte. Ihr gefiel dieser Spitzname zwar nicht besonders, aber sie fing deswegen auch keinen Streit an.
Als sie eine der Kommandozentralen erreichten, deutete der Kojote auf die Glasscheibe, die eine klare Sicht auf den Raum bot.
»Lieber Gott.«
»Ganz genau.«
Monatelang hatte Dee nun schon Streuner hier abgeliefert, die sie auf der Straße gefunden hatte. Junge Hybriden ohne Rudel, Familie oder eigenen Clan. Wenn sie noch sehr klein waren, brachte sie sie in ein Heim, in dem sie zur Schule gehen und zumindest ein annähernd normales Leben führen konnten, während sie gleichzeitig lernten, Rehe zu erlegen, ihre Reißzähne und Krallen zu kontrollieren und auf der Straße keine Fremden anzuknurren. Aber die älteren Streuner, die Potenzial versprachen, lieferte sie hier ab. Sie bekamen kostenlos eine Unterkunft und etwas zu essen, mussten dafür jedoch zur Schule gehen, sich anständige Noten erarbeiten und täglich Kampftechniken trainieren. Dee war überzeugt davon, dass sie damit nicht nur diesen Kindern ein neues Leben ermöglichte, sondern auch eine leidenschaftliche kleine Kampfeinheit heranzüchten konnte, die nur ihr und ihr ganz allein gehörte.
Bislang war alles bestens gelaufen – abgesehen von der ersten Hybriden, die sie vor ein paar Monaten hergebracht hatte. Abby. Abby verwandelte sich nie in ihre menschliche Gestalt, aß vom Boden und hatte den Tick, stundenlang im Kreis zu rennen. Aber das hier … das hier war ein Problem.
»Wie lange hat sie dafür gebraucht?«
»Der Wachmann hat gegen drei Uhr heute Morgen seine Runde gedreht. Als er gegen drei Uhr vierzig wieder hier vorbeigekommen ist, hat es mehr oder weniger so ausgesehen.«
Abby war wie ein Orkan durch die Kommandozentrale gefegt und hatte mit der Kraft eines Pitbulls auf Meth die Ausrüstung und die Möbel zerlegt. Sie hatte den Schauplatz ihres Verbrechens jedoch nicht wieder verlassen. Stattdessen befand sie
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