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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. A. Aiken
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zweiundvierzig Stichen genäht werden musste. Aber wenn ich mich recht erinnere, dann hat er sich bei mir entschuldigt.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »›Tut mir leid, Kleiner.‹ Aber was noch viel wichtiger ist, er hat es auch so gemeint.«
    »Okay.«
    »Ich schätze allerdings, dass das Nettsein nicht dein Problem ist.«
    »Aber Gwen hat gesagt …«
    »Es mag vielleicht so aussehen, als sei das dein Problem, aber es ist nicht dein Problem.«
    »Schön. Und was ist dann mein Problem?«
    Bo deutete auf die Bahn. »Warum bist du hingefallen?«
    »Welches Mal?«
    Bo runzelte angesichts ihrer Frage die Stirn. »Fällst du so oft hin, dass du eine exakte Zeitangabe brauchst?«
    »Manchmal. Aber manchmal lässt man mich auch stolpern, oder ich werde geschubst, geworfen, geschleudert, gehauen …«
    »Okay«, unterbrach er sie, da er das Gefühl hatte, sie sei noch lange nicht am Ende. »Vor fünf Minuten, bevor wir mit dieser Unterhaltung begonnen haben, bist du ausgerutscht. Warum?«
    »Keine Ahnung.«
    »Bist du gestolpert? Hast du das Gleichgewicht verloren?«
    »Wie gesagt, ich hab keine …«
    »Sei doch nicht gleich so genervt. Beantworte meine Frage.«
    Sie sah nach hinten auf die Bahn. »Ich bin geskatet, alles war in Ordnung, und dann …«
    »Und dann?«, drängte er sie, als sie verstummte.
    »Und dann hab ich angefangen, darüber nachzudenken, wie ungerecht das alles ist, und dass mir keiner eine Chance geben will, und dann ist mir bewusst geworden, dass ich selber ungerecht bin und dass ich aufhören muss, mir selbst leidzutun, und dann ist mir aufgefallen, dass ich Hunger habe und mir noch was zu essen besorgen muss, bevor ich zur Arbeit gehe, und als mir dann klar geworden ist, dass ich ja zur Arbeit muss, wusste ich, dass ich Gwen dort begegnen und dass sie mit mir reden wollen würde, und jedes Mal, wenn Gwen mit mir reden will, dann ist das eine Art Folter, weil sie Subtilität überhaupt nicht kennt, wenn du verstehst, was ich meine, sie sagt dir alles direkt ins Gesicht, genau wie mein Dad, und dann hab ich gedacht: Na, spitze, jetzt muss ich Mr.   Ich-hab-dir-doch-gesagt-dass-du-für-die-Bezirksliga-nie-gut-genug-sein-wirst beichten, dass man mich durch eine ausgewachsene Wölfin ersetzt, und da wusste ich, dass diese Unterhaltung ganz schön …«
    »Stopp!« Bo hielt sich die Ohren zu und starrte auf sie hinunter. »Grundgütiger, gute Frau. Tritt mal auf die Bremsen, bevor dein loses Mundwerk wirklich mit dir durchgeht.«
    Wie erbärmlich. Sie bekam »Unterstützung« – und sie benutzte diesen Begriff wirklich nur im weitesten Sinne – von einem der größten Arschlöcher unter den Profisportlern. Das war, als würde Mutter Teresa Stalin hinsichtlich des besten Umgangs mit Leprakranken um Rat fragen.
    Und jetzt befahl er ihr auch noch, die Klappe zu halten. Als hätte sie das im Laufe der Jahre nicht schon oft genug gehört. Der einzige Mensch, der ihr nie gesagt hatte, sie solle die Klappe halten, war ihre Mutter gewesen. Blayne konnte stundenlang reden, ohne Punkt und Komma, und ihre Mutter hatte nie ein Wort darüber verloren oder sich beschwert. Natürlich war der Spaß immer vorbei gewesen, wenn der griesgrämige alte Wolf nach Hause gekommen war. Um dieses Thema kümmerten sie sich jetzt allerdings in der Therapie.
    Novikov ließ seine Hände sinken und stieß einen dramatischen Seufzer aus. »Ich hätte zwar nicht gedacht, dass es so einfach wird, aber ich weiß, was dein Problem ist. Du denkst zu viel nach.«
    »Ganz ehrlich«, erwiderte sie emotionslos, »du bist wahrscheinlich der einzige Mensch, der das je zu mir gesagt hat. Zumindest ohne einen gewissen Hauch von Sarkasmus.«
    »Weißt du, was ich denke, wenn ich auf dem Eis bin?«
    »So was wie: ›Ob ich für das, was ich gerade mit dem Gesicht von diesem Typen gemacht habe, wohl in die Hölle komme?‹«
    »Nein. Das ist mir noch nie in den Sinn gekommen.«
    »Schockierend.« Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und fragte: »Also, was denkst du, wenn du auf dem Eis bist?«
    »Mein Puck.«
    Blayne wartete auf mehr. Sie wartete mindestens zwei volle Minuten auf mehr, aber Bo sagte nichts weiter, also starrten sie sich zwei geschlagene Minuten lang an, bis sie die Stille nicht länger aushielt. »Das ist alles?«
    »Das ist alles.«
    »›Mein Puck‹? Du denkst an nichts anderes? Zum Beispiel an eine Strategie oder daran, was deine Teamkollegen machen, oder wie lange das Spiel noch dauert oder …?«
    »Ich bin mir

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