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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. A. Aiken
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ausgesehen hat«, sagte sie.
    »Verletzt? Warum das denn?«
    »Wegen seines undankbaren Neffen!«
    »Mir wäre nicht aufgefallen, dass er versucht hätte, mich zu umarmen oder zu küssen oder sonst was.«
    »Na und?«
    »Was meinst du damit, na und?«
    »Manchmal, du Idiot, muss man Zuneigung zeigen, um sie zu bekommen. Manchmal muss man seinen Stolz einfach runterschlucken, ein Mann sein und den Menschen, die einem etwas bedeuten, tatsächlich zeigen, dass sie einem etwas bedeuten!«
    Marci lauerte vor der Tür des Krankenzimmers und lauschte dem Streit, der dahinter im Gange war, mit großem Interesse. Normalerweise wäre sie nicht so neugierig gewesen, aber diese Wolfshündin sagte all die Dinge, die sie selbst diesen beiden idiotischen Novikovs nie hatte sagen können. Jahrelang hatte sie das »Novikovs zeigen keine Gefühle«-Spielchen der beiden mit angesehen – und jahrelang hatte sie miterlebt, dass die beiden sich dadurch längst nicht so nahegekommen waren, wie sie es hätten sein können. Nein: sollen.
    Und sie wusste auch, woran das lag. Bold hatte sich eingeredet, dass sein Onkel nur getan hatte, was er getan hatte, weil er sich moralisch dazu verpflichtet gefühlt hatte, und nicht, weil er den Jungen mehr liebte, als er je in Worte hätte fassen können. Grigori wiederum hatte sich eingeredet, dass Bold sich ihm gegenüber so distanziert verhielt, weil er ihn nicht mochte, geschweige denn liebte, und nur seine Zeit abgesessen und auf eine Chance gewartet hatte, von ihm, Grigori, wegzukommen, und nicht etwa vom Rest der Stadt, der ihn heute noch Fleck nannte. Sie waren beide törichte und unglaublich sture Männer, die nie auf irgendjemand hörten. Und auch wenn Marci noch immer versuchte, den beiden über all das hinwegzuhelfen, wann immer sich ihr die Möglichkeit dazu bot, hatte sie die Hoffnung inzwischen eigentlich aufgegeben.
    Bis zu diesem Moment. Bis zu dieser Wolfshündin.
    »Warum schreist du mich so an?«, fragte Bo, und wie üblich klang er dabei nicht verletzt oder wütend, sondern nur verstört. Bärenmänner: die verstörtesten Fleischfresser auf dem Planeten!
    »Weil die Familie alles bedeutet, Bo. Du solltest hierbleiben«, sagte sie plötzlich.
    »Ich werde nicht hierbleiben.«
    »Ich gehe mit demjenigen zurück, der kommt, um mich abzuholen – wer auch immer es ist –, und du kannst noch ein paar Tage bleiben.«
    »Ich bleibe nicht, Blayne, also vergiss es.«
    »Müssen wir unsere ›Wann warst du zum letzten Mal im Urlaub?‹-Diskussion wirklich wiederholen?«
    »Das Cup-Finale beginnt in zwei Wochen. Glaubst du wirklich, ich würde vor dem Finale auch nur einen Tag Training verpassen?«
    »Weißt du, was ich gerade gehört hab? Bla bla bla … Finale … bla bla.«
    Marci legte hastig eine Hand auf ihren Mund und biss sich auf die Innenseite ihrer Wange, um nicht laut loszulachen.
    »Du solltest hierbleiben und Zeit mit deiner Familie verbringen.«
    »Nein.«
    »Du bist total unvernünftig.«
    »Und du solltest dich anziehen, wenn du nicht willst, dass ich dich nackt nach draußen schleppe. Und wage es ja nicht zu weinen!«
    Marci hörte, wie die Wolfshündin dreimal laut und dramatisch schniefte, bevor sie erwiderte: »Von mir aus, dann sei eben so. Allein, verbittert, ohne Freunde.«
    »Bedingen allein und ohne Freunde einander nicht?« Marci hörte ein Scheppern, dann knurrte Bo: »Hör auf, mir irgendwelche Sachen an den Kopf zu werfen!«
    Marci strich ihre Klamotten glatt, versuchte, das Grinsen aus ihrem Gesicht zu verbannen, stellte sich vor die Tür und klopfte an.
    Blayne schäumte noch immer vor Wut, als die Ärztin von gestern an ihre Tür klopfte und das Zimmer betrat.
    »Morgen«, grüßte sie mit ernster Miene.
    »Morgen«, erwiderten Blayne und Bo murmelnd.
    Blayne wusste, dass Bo sauer auf sie war, aber das kümmerte sie herzlich wenig. Familie war Familie, und ihrer Ansicht nach musste man sich nun mal mit ihnen abfinden, wenn sie einen nicht gerade beklauten oder misshandelten. Die meisten Hybriden kannten ihre Familie noch nicht einmal: Sie wurden von Geburt an gemieden, ihre leiblichen Eltern vertrieben, und wenn denjenigen, die sie aufzogen, etwas zustieß, führten sie nicht selten ein sehr hartes Leben. Blayne wusste, dass sie von Glück sagen konnte, dass ihr Vater damals beschlossen hatte, sie nicht wegzugeben und sie selbst großzuziehen. Andere, die ohne ihre Meute, ihre Familie oder ihren Clan nicht überleben konnten, ließen ihre Jungen und

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