Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach
sie leise. »So viele Tote. Und wie wird es erst werden …«
David ging nach nebenan und bettete den schlummernden Talamh in die Wiege. Als er zurückkam, blieb er im Türrahmen stehen. »Du wünschst dir,
er
wäre hier.«
Niemand fragte, wen der Prinz meinte. Sie wussten es alle.
Nadja wich seinem Blick nicht aus und nickte. »Ja. Damit er mir endlich erklärt, was das alles zu bedeuten hat. Was er wirklich will und warum. Ich will begreifen!«
»Wie wir alle.« David wies ein Dienerchen an, ihm einen großen Humpen Honigbier zu bringen.
Rian fragte leise: »Denkst du, ich habe weniger Fragen? Oder die anderen?«
Nadja verspürte ein schlechtes Gewissen. Rian machte sehr viel mehr durch als sie. »Dann sollte der Getreue uns allen Rede und Antwort stehen! Aber wie kriegen wir ihn hierher?«
»Das fehlte gerade noch!«, beschwerte sich Pirx. »Immer haben wir den Finsterling ans Ende aller Welten gewünscht – und jetzt wollen wir ihn hier haben? Hast du einen Hirnschraubenwurm in dir, Nadja?«
»Aber er ist die Lösung von allem«, wandte sie ein. »Und er … hat uns alle gehen lassen, obwohl er Rian bereits in seiner Gewalt und nach der Schlacht von Lyonesse jede Gelegenheit hatte, uns andere auch zu fangen.«
Grog rieb sich grüblerisch die große Nase. »Vielleicht will er auf diese Weise eine Einladung zum Baum erwirken?«
»Eben!«, pflichtete Pirx eifrig bei. »Ich meine, ausgerechnet
hierher
, Nadja – das wäre nicht nur Wahnsinn, sondern auch Hochverrat!«
»Beruhigt euch wieder, ich habe ohnehin keine Möglichkeit, Kontakt zu ihm aufzunehmen«, beschwichtigte Nadja. »Außerdem kann er den Schutzbann nicht durchbrechen, der hält sicher noch besser als der Wall von Lyonesse.«
»Nicht unbedingt«, murmelte Rian. »Wenn jemand, der hier tief verwurzelt ist, eine Frage an den Getreuen stellt und dazu einen Antwortzauber wirkt, wäre er gezwungen zu kommen. Kein Bann der Anderswelt könnte ihn zurückhalten.«
Die anderen, einschließlich Nadjas, starrten sie an.
»K… könnten wir ihm dann eine Falle stellen?«, wisperte Pirx.
»Ihn fangen?«, fügte Grog hinzu.
David, der seinen Krug soeben geleert hatte, fegte alle Überlegungen mit einer heftigen Geste beiseite. »Schluss damit!« Seine Stirn rötete sich leicht. »Diese Idee ist völlig absurd! Nadja, kehr wieder ins Bad deines Selbstmitleids zurück; wir anderen werden jetzt über konkrete Dinge nachdenken. Zu eurer Beruhigung: Sie betreffen auch den Getreuen.« Er stand auf. »Rückt die Stühle zusammen, los! Wir müssen Kriegsrat halten.«
Nadja blieb der Mund offen stehen. Sie schloss ihn. Öffnete ihn wieder.
David wandte sich ihr zu. Sie erkannte ihn kaum wieder. Seine autoritäre Haltung, der Ausdruck seiner durchgehend violetten Augen, in denen der Baum der Crain schärfer und intensiver denn je schimmerte, und seine strenge Miene. Wie ein Herrscher …
»Nadja«, sagte er mit eindringlicher Stimme, »ich weiß genau, was dir auf der Zunge liegt. Aber diesmal wirst du dein Temperament zügeln. Ich werde hierüber nicht mit dir diskutieren, weder jetzt noch später. Ich bin der Erbprinz der Crain, und ich bestimme es so. Nimm es hin, wenigstens dieses eine Mal, auch wenn dir mein Verhalten nicht gefällt. Sobald du wieder mit dem Hirn statt mit deinem Herzen nachdenkst, erkennst du, dass ich recht habe.«
Pirx wisperte Rian unüberhörbar zu: »Der is’ vielleicht mutig.«
Nadja war immer noch sprachlos, in ihr arbeitete es. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust, stellte sich ans Fenster und starrte kochend vor Wut hinaus.
Die anderen setzten sich hastig zu einem Rund zusammen, das David schloss.
»Was bewegt dich, Bruder?«, fragte Rian auffordernd.
»Die Knoten«, antwortete David. »Nadja hat während unseres … äh … Aufenthaltes in Tara erfahren, dass der Getreue einen weiteren Knotenpunkt besetzte, und zwar Benghazi in Libyen.«
»W… wieso wussten wir bisher nicht davon?«, stotterte Grog.
David hob die Schultern. »Es gab anderes zu tun, als darüber nachzudenken – auch nach unserer Rückkehr.«
»Du hast es vergessen«, stellte Pirx fest.
David wollte auffahren, hielt sich aber zurück. »Wie auch immer, wir reden
jetzt
darüber. Die Energie der besetzten Knoten strömt in Tara in einem bestimmten Raum zusammen, wo Bandorchu sie anzapft. Ich konnte selbst spüren, welchen Einfluss sie dadurch auf jedes Lebewesen, das sich dort aufhält, auszuüben vermag.«
»Mir hat er eher die Kraft
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