Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach
Sieg, und alle Welten werden überleben!«
»Hoch!«, erhielt er ein vielfach schallendes Echo. Die Streiter standen wie ein Mann an seiner Seite.
Zitternd tastete Nadja nach Davids Hand. »Oh, verdammt, verdammt …«, wisperte sie. Das Blut rauschte in ihren Ohren, ihr Herzschlag raste. Als Journalistin hatte sie sich bereits in Krisengebieten aufgehalten, und sie wusste, wie es war, wenn einem Kugeln um die Ohren pfiffen und man lautlos schreiend und zusammengekrümmt irgendwo in Deckung ausharrte und hoffte, es möge vorübergehen wie ein böser Traum. Zum Glück war es so gekommen, und daraufhin hatte sie sich der kulturellen und gesellschaftlichen Reportage zugewandt, weil sie den Krieg nicht ertrug. Zuletzt hatte sie den Kampf zwischen den Elfen in Newgrange miterlebt, aber nur kurz, bevor der Getreue sie nach Jangala entführte, und das war aufwühlend genug gewesen.
Aber dies war etwas anderes, war noch … schlimmer.
»Du bist hier sicher«, wisperte David ihr zu und legte den Arm um ihre Schultern.
»Das ist nicht wahr«, widersprach sie. »Du wirst dein Schwert nehmen und mitkämpfen, mach mir nichts vor.«
Deswegen
war es schlimmer. Sie persönlich war zu sehr beteiligt; es ging um ihre Familie, ihre Freunde. Schon in Newgrange hatte sie es kaum verkraften können. Nun gab es gar keinen Ausweg mehr.
Am besten wäre es, einfach abzuhauen, zu verschwinden und alles hinter sich zu lassen. Augen zu und so tun, als wäre man gar nicht da, alle Gedanken verbannen. Bestimmt gibt es einen Vergessenszauber! Dann wird alles leichter
.
Dumme Gedanken, die keinerlei Trost boten. Nadja sah die Soldaten und Krieger, die aufmarschierten, hörte das Scheppern der Rüstungen und das Rasseln der Waffen. Pferde wieherten, Kriegsvögel schrien. Sie sah Regiatus dort unten, der hin und her eilte, Anweisungen erteilte und Ordnung ins Chaos brachte. Sie sah die Blaue Dame, die die Hofschranzen ins Schloss beorderte. Sie sah …
Sie
hörte
Talamh in seiner Wiege schreien, riss sich von David los und rannte zu ihrem Sohn. Dicke Tränen kullerten aus seinen zusammengepressten Augen. Sanft hob sie ihn hoch, drückte ihn an sich, streichelte ihn und murmelte: »Sch-sch, alles ist gut.«
Das Kind beruhigte sich tatsächlich, und sie kehrte mit ihm auf den Balkon zurück. Fanmór hatte seine Rede inzwischen fortgesetzt, oder vielmehr seine Strategie verkündet. An anderen Stellen erklangen Hörner und Trompeten. Jemand fing an zu singen, was rasch von vielen Stimmen aufgenommen wurde.
Talamh strampelte heftig, bis Nadja begriff, was er wollte, und ihn so hielt, dass er alles sehen konnte. Aufmerksam beobachtete er die Truppenbewegungen und blickte zu seinem Großvater hoch. Es sah so aus, als würde er auf etwas warten. Sein Geist schwieg allerdings.
Auch David sagte nichts. Der Blick des Prinzen mit der Seele war auf unbekannte Fernen gerichtet. Nadja spürte, dass er in diesem Moment weit entfernt von ihr war und ebenso ihr Sohn. Dies war Elfensache, nicht ihre. Trotz des väterlichen Erbes war Nadja ein Mensch und hatte an diesem Erlebnis keinen Anteil, denn ihre Wurzeln ruhten nicht in der Anderswelt. Sie waren … ausgerissen.
Plötzlich trat Rian an Fanmórs Seite. Die Prinzessin trug ein königliches Gewand mit einem Umhang, auf den das Wappen der Crain gestickt war, und ein kunstvolles, glitzerndes Diadem. Das Volk jubelte, als es die Prinzessin an der Seite des Herrschers entdeckte.
Einzig Nadja runzelte die Stirn. »Musst du nicht auch dorthin?«, fragte sie ihren Partner.
David schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt.«
Pirx und Grog kamen zu ihnen. Der kleine Igel kletterte auf die Brüstung, der Grogoch konnte zwischen den Säulen hindurchblicken. »Jetzt ist es also so weit«, sagte der Pixie. »Und wir können nix mehr machen.«
Nadja hatte schon darüber nachgedacht, den Getreuen um ein Gespräch zu bitten. Aber er hätte sich vermutlich nur über sie lustig gemacht. Immerhin hatte er einen unglaublichen Aufwand betrieben, um seine Königin aus dem Schattenland zu befreien – und nun sollte er, sollten sie beide aufgrund der Bitte einer unbedeutenden Menschenfrau einlenken? Lächerlich. »Es tut mir leid«, flüsterte sie.
»Was tut dir leid, meine Menschenelfe?«, fragte David verwundert. »Du hättest nichts dagegen tun können. Dieser Krieg begann bereits vor tausend Jahren, und auch damals konnte ihn keiner verhindern.«
»Trotzdem habe ich das Gefühl, zu wenig getan zu haben. Oder etwas Falsches.
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