Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach
Balkon und blickte über das Land. Sie erschauerte vor dem, was sie dort draußen sah. Nicht nur, dass der Zeitherbst immer mehr von dieser wundervollen Welt zerstörte. Der Frieden war dahin. Zehntausende martialische Gestalten marschierten von allen Seiten auf und zogen einen Verteidigungsring um das Baumschloss.
»Wenn ich nur endlich Robert, Anne und Tom erreichen könnte«, flüsterte sie ihrem Sohn zu. »Ich mache mir solche Sorgen …«
Nur eine kurze Erholungsphase war ihnen gestattet worden. Sie dauerte gerade so lange, wie beide Herrscher gebraucht hatten, um alle Soldaten und Krieger zusammenzuziehen, die sie aufbieten konnten. Nichts hatte dies verhindern können.
Nadja hatte gehofft, noch einmal von dem Getreuen in die Geistersphäre gerufen zu werden, um Erklärungen zu erhalten. Doch er zeigte sich nicht. Gerüchten zufolge hielt er sich die ganze Zeit auf Tara auf und unterstützte Bandorchu in den Kriegsvorbereitungen. Die junge Frau vermutete inzwischen, dass er Rian zurückgebracht hatte, damit sie tatsächlich vermitteln sollte. Blut und Vernichtung, das konnte nicht die Intention des Mannes ohne Schatten sein. Nadja hatte ihn erlebt, beispielsweise in Venedig, und entsann sich seiner Reaktion, als er begriff, dass der Conte del Leon Elfen als Lebensspender missbrauchte und umbrachte.
Der Getreue hatte rücksichtslos und gnadenlos Menschen ihrer Seelen und Lebenskraft beraubt, um seine Königin aus dem Schattenland zu befreien. Aber gegen Elfen … war er niemals vorgegangen. Ein einziges Mal, ganz zu Beginn, hatte er Rian misshandelt, danach jedoch nie wieder. Und er hatte ebenso viele Menschen verschont, wie er getötet hatte. All das musste einen Sinn ergeben, nur begriff Nadja ihn nicht. Immer noch fehlten ein paar Fäden, die verknüpft werden mussten.
»Warum hat er Rian zurückgebracht?«, murmelte sie vor sich hin. »Und warum hat Fanmór ihr das angetan?«
Sei nicht traurig, Mutti
, hörte sie plötzlich Talamhs Stimme in ihren Gedanken.
Tantchens Schutz ist von höchster Wichtigkeit. Deswegen hat der Kapuzenheini sie zu uns gebracht. Tara hat ihr die Lebenskraft genommen, sie hätte es dort nicht mehr lange ausgehalten
.
»Kapuzenheini? Das hast du wohl von Pirx! Junger Mann, ich dulde nicht …«
»Gnnnihihihi!«
Nadja seufzte und lachte zugleich. Schwere Zeiten standen ihr bevor, das stellte sie nicht zum ersten Mal fest. Wie sollte sie ihrem Sohn jemals Manieren beibringen? Wie konnte sie ihm jemals widerstehen?
Bin das Baby, musst mich lieb haben!
Das auch noch. Sie warf ihn hoch und fing ihn wieder auf. Talamh juchzte vor Vergnügen. Und es wirkte, Nadja fühlte sich tatsächlich getröstet. Trotzdem rutschte ihr die Frage heraus, mehr oder minder an sich gestellt: »Aber hat Bandorchu sich nicht dagegen ausgesprochen?«
Nee. Sie hat gemeint, es sei ihr ganz recht, wenn ihr alle hier auf einem Haufen beisammen seid, dann hat sie gleich alles in einem: das Baumschloss und euch … äh … und mich natürlich auch
.
»Woher weißt du das?«, fragte Nadja konsterniert. Sie vergaß darüber ganz, ihn erneut wegen seiner Ausdrucksweise zu ermahnen.
Eine Funkenelfe hat’s mir gesagt. Die und die Schillerflügler gehen dort als Spione ein und aus, ohne aufzufallen
.
Nadja wunderte sich langsam über gar nichts mehr. »Deswegen also flattern die hier ständig herum. Hast du sie dazu beauftragt? Warum erfahren wir nichts davon?«
Die sind doch gerade erst zurückgekommen, Mutti, ich hatte noch gar keine Zeit
. Talamh zeigte seinen unschuldigsten Augenaufschlag.
»Dein Vater wird dir den Hintern versohlen …« Nadja schob das Hemdchen beiseite und kitzelte seinen Bauch. Ihr Sohn prustete vor Lachen und griff nach ihrem Finger. »Und hör auf mit diesem ›Mutti‹-Unwort, ich hasse das. Es ist spießig und hässlich.«
Mama?
»Ja. Viel besser.«
»Am-am-am«, probierte Talamh es laut. Nicht zum ersten Mal, aber seit damals hatte er es nicht mehr gesagt. »Am-maa-mamam.«
Nadja lächelte, doch das Thema war nicht beendet. »Warum muss Rian dermaßen geschützt werden, mehr als David oder du?«
Das ist ein grooooßes Geheimnis, und ich kann es nicht sagen. Bin nicht fähig dazu. Tut mir leid, Mama
.
»Noch ein Bann?«
Du musst vertrauen, das ist ganz wichtig
.
»Und welche Rolle spielst du dabei?« Bei dieser Frage wurde Nadja das Herz schwer. Sie hatte gewusst, dass Mutterschaft nicht leicht war. Aber sie hätte sich so sehr ein normales Kind gewünscht. Ein
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