Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach
Elfenbaby, sicher, das war nicht zu ändern. Seit Bekanntwerden von Nadjas Schwangerschaft und Talamhs ersten Schwingungen in der magischen Sphäre war Talamh von großer Bedeutung für die gesamte Elfen- und sogar Götterwelt gewesen. Seinetwegen wurde Ragnarök ausgelöst. Wie sollte ein kleines Kind das alles verkraften und trotzdem geistig gesund heranwachsen? Kaum ein Erwachsener konnte solch eine Belastung ertragen.
»Brabrabrab«, machte Talamh, erwischte eine Haarsträhne und zog kräftig daran. Als Nadja um die Befreiung ihres Haares kämpfte, kam sie ihm dabei mit dem Gesicht so nahe, dass er sie in die Wange beißen konnte – und auch zahnlos hatte er einen ordentlichen Druck drauf.
»Au!«, beschwerte sie sich, und er lachte so sehr, dass er Schluckauf bekam. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihn wieder zu kitzeln, bis er japsend ihren Finger festhielt.
»Sei jetzt brav, du kleiner Schlingel!«
Talamh ballte die Händchen. Sein Gesicht nahm einen konzentrierten Ausdruck an, und die Babyhaut rötete sich leicht. Nadja wusste, was das bedeutete – er wollte seine Windel füllen. Nur dummerweise hatte sie die erst vor Kurzem gewechselt, und so schnellen Nachschub gab es nicht.
»Nnnhhh!«, beschwerte sich das Baby.
Nadja lachte hämisch. »War wohl nichts, was?«
Talamhs Mündchen produzierte Spuckebläschen, und er versuchte wieder nach ihr zu greifen. Bald würde er nicht mehr zu halten sein und krabbelnd die Welt erobern. Das wäre dann der endgültige Untergang der Anderswelt. Nadja drückte ihre Nase gegen seine und prustete ihn an. Daraufhin gackerte er vor Wonne.
»So«, sagte Nadja anschließend streng. »Genug der Ablenkung und genug mit dem
Ich bin nur ein Baby
-Getue. Ich habe dir eine Frage gestellt, und ich erwarte eine Antwort.«
Seine nachtblauen Augen richteten sich intensiv auf sie, und sie musste schlucken, als sie die nahezu grenzenlose Weite darin sah, die längst mit viel zu viel Wissen erfüllt war. Das waren nicht die Augen eines Kindes. Sie hatte überhaupt nie solche Augen gesehen, erst recht bei keinem Elfen, nicht einmal bei dem uralten Fanmór oder Königin Bandorchu. Herr Samhain, fiel ihr ein, der graue Herr November von Annuyn. Nadja wurde es schwindlig, als sie daran dachte. Nur von ferne hörte sie die Antwort ihres Sohnes.
Ich bin die ewige Zukunft
.
»Nadja.«
Die junge Frau fuhr hoch und blinzelte, kurzzeitig desorientiert, bis sie David erkannte. »David? Was ist passiert? Wieso … wieso liege ich im Bett?«
Sie konnte sich nicht daran erinnern, sich hingelegt zu haben. Erschrocken fuhr sie hoch. »Talamh!«
»Alles in Ordnung, er liegt in der Wiege und schläft.«
»Ich begreife das nicht.« Nadja schwang die Beine aus dem Bett, fuhr sich durch die Haare und stand auf. »In meiner letzten Erinnerung stehe ich mit Talamh auf dem Balkon …«
»Wir haben Probleme«, sagte David. »Es ist besser, wenn du es gleich erfährst.«
Sofort war Nadja alarmiert. »Was ist passiert? Etwas mit deinem Vater und dir?«
»Nur das Übliche. Er weiß, dass seine Tage gezählt sind, und hat das Kriegsrecht verhängt. Gerade im rechten Moment, muss ich hinzufügen.« Er winkte Nadja, ihm auf den Balkon zu folgen, und wies nach unten.
Wachen liefen zusammen, die zuvor noch heranrückenden Heere nahmen Aufstellung, und Befehle wurden gebrüllt. Hofschranzen rannten durcheinander.
Schräg über ihrem Balkon trat der Riese auf eine große Terrasse. Wie in Newgrange trug er die königliche Rüstung aus schimmernder Bronze sowie den prächtigen Königshelm. Die langen Haare waren im Nacken zusammengefasst und fielen ihm den Rücken herab. An seiner linken Seite hing Graul, sein mächtiges Langschwert.
»Volk der Crain«, erklang Fanmórs weithin tragende, dröhnende Stimme. »Königin Bandorchu ist soeben vor unserer Grenze aufmarschiert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Sperrbann zusammenbricht. Damit haben wir den offenen Krieg! Es geht um die Verteidigung unserer Heimat, des ganzen Reiches Earrach und sogar darüber hinaus. Bandorchu wird nicht hier haltmachen; sie strebt die Herrschaft über die ganze Anderswelt an. Und dies ist nicht die einzige Bedrohung, der wir uns nun stellen müssen. Während die Grenzen zur Welt der Menschen fallen, müssen wir an vielen Fronten kämpfen. Das Gleichgewicht existiert nicht länger. Wohlan denn!« Er zog das Schwert und hielt es hoch. »Lasst uns gewappnet sein und frohen Mutes! Verteidigt das Baumschloss, erringt den
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