Schatten der Angst (German Edition)
einsatzbereitem Stift stürzte sie sich in die Lektüre der Akten.
Sie fand einen Bericht, der den Schauplatz beschrieb, an dem man Carolyn O’Donnell gefunden hatte, und war verblüfft zu lesen, wie makellos man den Tatort vorgefunden hatte. Es war nicht das geringste Beweismaterial gefunden worden, das man zu einer bestimmten Person hätte zurückverfolgen können. Keine Fingerabdrücke, nicht einmal DNA-Spuren. Der Mörder schien sehr gerissen zu sein, er ging methodisch vor und war offenbar mit den üblichen Spurensicherungstechniken vertraut, denn er ließ nicht den kleinsten Hinweis am Tatort zurück.
Wenn man diese Fakten mit der Beschreibung von Bransons Apartment zur Zeit seiner Festnahme verglich, war es schwer zu glauben, dass es sich um die gleiche Person handeln sollte. Nein, Branson war auf keinen Fall der Mörder. Seine Wohnung hatte sich für die Spurensicherung als eine Goldmine erwiesen. Einer wie er hätte sicherlich bei einem der Opfer Spuren hinterlassen oder sonst irgendeinen Hinweis, mit dessen Hilfe man ihm auf die Schliche gekommen wäre. Branson war einfach zu chaotisch, es war unvorstellbar, dass einer wie er die Intelligenz besitzen sollte, einen Tatort so makellos zu hinterlassen wie den von O’Donnell.
Amanda unterteilte eine leere Seite des Notizblocks in Spalten und schrieb über eine von ihnen: »Mögliche Verdächtige«. Darunter schrieb sie »Frank Branson«. Dann strich sie seinen Namen durch. Daneben listete sie die Gründe auf, die gegen Branson als Verdächtigen sprachen.
Sie blätterte eine weitere Akte durch und las systematisch alle Vernehmungen jener Personen, die Carolyn O ’ Donnell gekannt hatten.
Ihr Rücken begann zu schmerzen, und sie richtete sich auf und streckte sich. Überrascht stellte sie fest, dass die Sonne hoch am Himmel stand. Es war bereits später Nachmittag. Sie beschäftigte sich nun bereits seit Stunden mit den Akten, und ihr Magen knurrte.
Wenige Minuten später kam Karen, um nach ihr zu sehen. Zusammen nahmen sie auf der Hinterveranda ein schnelles Mittagessen aus Schinken-Sandwiches und Chips ein. Nach dem Essen ging Karen wieder in die kleine Suite, in der sie sich eingerichtet hatte, und Amanda kehrte in das Arbeitszimmer zurück.
Als sie die Liste auf dem Notizblock noch einmal durchging, erschien ihr nur eine Schlussfolgerung logisch: Der Mörder war entweder selbst Polizist, oder er arbeitete mit der Polizei zusammen. Es musste einfach so sein, wie war es sonst zu erklären, dass er es jedes Mal schaffte, den Tatort ohne verwertbare Spuren zu hinterlassen? Außerdem hätte er auf diese Weise auch die Möglichkeit, an eine Waffe zu gelangen. Und wie leicht wäre es, sich unauffällig zu bewegen und ein Opfer auszusuchen, wenn man dies in einem Streifenwagen tun konnte? Das würde auch erklären, wie der Mörder es geschafft hatte, seine Opfer auszusuchen, ohne dass es jemandem aufgefallen war.
Ganz oben auf die Seite schrieb sie: »Polizist?« Bestand auch die Möglichkeit, dass es sich nicht um einen Polizeibeamten handelte? Wer hatte sonst noch Zugang zur Polizeiflotte? Sie fügte » Automechaniker « zu ihrer Liste hinzu.
Der Annahme folgend, dass Logans Vermutung richtig war und der erste Fall die meisten Informationen über den Mörder preisgab, schrieb sie »in Shadow Falls oder einer der Nachbargemeinden aufgewachsen« neben ihre Liste. Wenn sie doch nur zu den Personalakten des Shadow Falls Police Departments Zugang hätte! Sie hätte die Urlaubsdaten der Polizisten mit den Zeiten und Schauplätzen der anderen Mordfälle vergleichen können, die außerhalb von Shadow Falls begangen worden waren.
Ungeduldig mit den Fingern auf dem Schreibtisch herumtrommelnd warf sie einen Blick auf Logans Laptop. Ohne Identifizierung und Passwort hatte sie keine Möglichkeit, an die Personalakten heranzukommen. Sie würde ihn später darauf ansprechen und ihn fragen, ob er auf dieselbe Idee gekommen war. Sie schrieb eine Notiz wegen der Personalakten auf ihre Liste und zog den Laptop zu sich heran. Sie hatte vielleicht nicht die Möglichkeit, die Ferientermine der Angestellten zu überprüfen, aber sie konnte sich immerhin die Internetseite des Shadow Falls Police Departments ansehen, um zu sehen, ob einer der Polizisten über dieselben körperlichen Merkmale verfügte wie ihr Angreifer.
Inzwischen war das Licht, das durch das Fenster hereinfiel, deutlich schwächer geworden. Die Sonne ging unter. Wenn Amanda weitermachen wollte, musste sie
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