Schatten der Angst (German Edition)
aufstehen und Licht machen. Gerade hatte sie sich erhoben, als es an der Tür klingelte.
Ihr Magen zog sich vor Unbehagen zusammen. Seit sie bei Logan wohnte, war noch nie jemand unangemeldet erschienen. Das Haus stand auf einem ziemlich großen Grundstück, das von Bäumen umstanden war. Es lag nicht gerade auf der Route vorbeireisender Handelsvertreter.
Karen war in den Durchgang getreten, der das Arbeitszimmer vom Eingangsbereich trennte, und lächelte ihr beruhigend zu. »Keine Panik. Ich weiß, wer das ist. Sie werden sich freuen.«
Freuen? Amanda klappte den Laptop zu und lauschte konzentriert, während Karen die Haustür öffnete. Ein weibliches Lachen war zu hören. Eine Minute später führte Karen eine zierliche Frau ins Arbeitszimmer.
Logans Schwester Madison, kein Zweifel. Selbst wenn Amanda sie nicht von den vielen Fotos in Logans Familienalbum wiedererkannt hätte, das sie sich vor ein paar Tagen angesehen hatte, wäre ihr sofort klar gewesen, dass diese Frau mit ihm verwandt sein musste. Sie hatte dasselbe schwarzblaue Haar und dieselben durchdringenden Augen. Und wenn sie lächelte, verzog sich ihr Gesicht zu demselben schiefen Grinsen, das sie auch bei Logan gesehen hatte, wenn es ihm ausnahmsweise einmal gelang, sich zu entspannen. Abgesehen von der Tatsache, dass sie dreißig Zentimeter kleiner und ein paar Jahre jünger war, war sie sein Ebenbild.
»Sie sind bestimmt Amanda. Oh mein Gott. Ich liebe Ihre Haare. Ich habe es nie geschafft, meine so lang wachsen zu lassen. Himmel, die müssen Ihnen ja bis zur Hüfte reichen.« Die junge Frau hüpfte geradezu über den Parkettfußboden, als sie sich dem Schreibtisch näherte. Amanda konnte sich angesichts so viel ungezügelter Energie ein Lächeln nicht verkneifen.
»Und Sie sind entweder der Duracellhase oder Logans Schwester Madison«, scherzte sie und stand auf, um Madison die Hand zu schütteln.
Madison steuerte auf sie zu, und statt ihr die Hand zu reichen, umarmte sie Amanda mit einer Kraft, die bei einer so zierlichen Person überraschend war. »Ich freue mich so, Sie kennenzulernen.«
Karen, die auf der Türschwelle stand, lachte. »Ich muss Sie einander ja wohl nicht vorstellen. Ich bin vorne in der Suite, falls etwas ist.«
Madison entließ Amanda aus ihrer Umarmung und trat einen Schritt zurück. »Danke, Karen. Aber nachher erzählst du mir noch ein bisschen was von deinem Prachtkerl von Ehemann.«
Die Polizistin lachte laut auf, und Madison lächelte Amanda schelmisch an. »Tut mir leid. Ich weiß, dass ich manchmal etwas über die Stränge schlage.«
»Ach, nur ein winziges bisschen.«
»Vielleicht sollten wir noch einmal von vorn anfangen. Hallo. Ich bin Madison Richards-McKinley.« Sie streckte die Hand aus.
»Und ich bin Amanda Jones, ich meine, Stockton.« Amanda schüttelte ihre Hand.
»Was denn nun? Jones oder Stockton?«
»Wohl eher Stockton. Ich habe meinen Nachnamen vor ein paar Jahren ändern lassen, aber habe mich nie wirklich daran gewöhnen können. Alle um mich herum verwenden den Namen Stockton.«
»Ich mag Stockton lieber. Klingt eleganter.«
Madison griff nach Amandas Hand – so wie Logan es zu tun pflegte – und zog sie hinter sich her. »Wollen wir nicht ins Wohnzimmer gehen und uns unterhalten? Mir gefällt es dort besser als in diesem vollgestopften Arbeitszimmer.«
Amanda machte sich nicht die Mühe, ihr zu widersprechen. Madison hatte etwas von einem Feldwebel an sich, als sie Amanda durch die Halle in das Wohnzimmer führte. Madison ließ sich in einen der Fernsehsessel fallen, während Amanda auf der Couch Platz nahm.
»Sie fragen sich wahrscheinlich, warum ich hier bin«, bemerkte Madison.
»Ihnen geht es bestimmt genauso.«
Sie lächelten sich an. Madison kreuzte die Beine unter sich und machte es sich im Sessel bequem. »Tatsächlich habe ich gestern mit Logan telefoniert, und er hat mir gesagt, dass er Sie in Schutzhaft genommen hätte. Ich bin als Erstes zu seinem Apartment gefahren, aber dort hat mir niemand aufgemacht. Auf dem Revier war er auch nicht, deswegen habe ich gehofft, ihn hier draußen zu finden.«
»Möchten Sie vielleicht etwas zu trinken oder zu essen? Eine Limonade oder so?«
»Nein, danke. Ich habe mir unterwegs was zum Mitnehmen gekauft, das ich dann im Auto heruntergeschlungen habe.«
»Sie sind den ganzen weiten Weg von New York hergefahren?«
Einen Moment lang verdunkelte sich Madisons Blick, doch der Schatten verschwand sofort wieder. »Ich bin zurzeit nicht
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