Schatten Der Erinnerung
Ich bleibe im Hotel, bis ich mich besser fühle, und dann werde ich nach San Luis Obispo fahren. Sicher wird mich Susan in meiner gegenwärtigen Lage nicht wegschicken. Ich werde Ihnen nicht weiter zur Last fallen.«
Er schnitt eine Grimasse und drehte sich zu ihr um. »Halten Sie mich wirklich für einen solchen Mistkerl?«
»Nein! Überhaupt nicht! Ich begreife nur nicht, warum Sie so wütend auf mich sind.«
Er schluckte. Sein Blick glitt zu ihrem Mund, bevor er wieder zu ihren Augen zurückkehrte. »Das ist nicht Ihre Schuld. Auf Sie bin ich nicht wütend.«
»Wirklich nicht?«
»Nein.«
Regina war erleichtert. Aber sein düsterer, brütender Ausdruck fegte ihr Lächeln sofort weg. »Wenn Sie nicht auf mich wütend sind, dann kommt nur Ihr Vater in Frage.«
»Richtig.« Seinem Ton war zu entnehmen, dass sie gerade in eine Sphäre eindrang, um die er eine undurchdringliche Mauer gezogen hatte. Dennoch konnte sie nicht aufhören. Sie erinnerte sich an das letzte Mal, als sie Rick gesehen hatte. Immer noch hörte sie das Bedauern und die Liebe in seiner Stimme. Außerdem war da noch etwas. Sie hatte es bislang nicht identifizieren können, aber im Nachhinein erkannte sie, dass es Resignation war.
Regina konnte sich nicht zurückhalten. »Wegen dem, was er gesagt hat?«
Slade sah sie an.
»Weil er Sie beleidigt hat?«
»Um mich auf die Palme zu bringen, wäre mehr nötig als eine lausige Beleidigung von Rick«, entgegnete er scharf.
»Hören Sie auf, so zu drängen.«
»Dann muss ich der Grund sein. Sie sind wütend auf ihn, aber der Grund bin ich!«
»Ich war auf Rick schon lange wütend, bevor ich Sie getroffen habe, und das wird auch noch geraume Zeit nach Ihrer Abreise so bleiben.«
Seine Worte verblüfften sie. Ihr Herz blutete wegen seiner schlechten Beziehung zum Vater, eine Beziehung, die sie so gerne kitten, in die sie eingreifen wollte. Doch das durfte sie auf keinen Fall tun. Der Gedanke, dass der Konflikt anhielte, wenn sie nicht mehr da war, bestürzte sie. Sie wagte es nicht in sich nach dem Grund dafür zu forschen. Natürlich war ihr klar, dass sie irgendwie in diese brodelnden Emotionen verwickelt war, auch wenn Slade nicht davon gesprochen hatte. Sie fühlte es.
Die ganze Zeit über hatte sie ihn angestarrt, so dass er sich schließlich gezwungen sah, sich ihr wieder zuzuwenden. Ihre Blicke trafen sich, verharrten einen Moment und gingen dann auseinander. Sein Profil war streng und edel, fast zu vollkommen, doch er hatte den Mund zusammengepresst.
Zähneknirschend fragte er: »Was zum Teufel wollen Sie von mir?«
»Freundschaft«, erwiderte Regina, ohne zu zögern.
Mit einem verblüfften Ausdruck machte er eine ruckartige Bewegung zu ihr. Regungslos saß sie da, aus der Fassung gebracht weil sie so direkt gewesen war. An seinem skeptischen Gesicht konnte sie ablesen, dass auch er es nicht glauben konnte. Sie bekam schweißnasse Handflächen. Auch ohne ihr Gedächtnis wusste sie, dass Damen einem fremden Mann keine Freundschaft anbieten durften, es sei denn, es handelte sich dabei um eine bestimmte Freundschaft, die verboten war. Diese Bedeutung hatte ihr Angebot aber keineswegs gehabt.
»Freundschaft kann es zwischen uns nicht geben.«
Regina betrachtete ihre behandschuhten Hände eingehend, die sie auf dem Schoss gefaltet hielt, und Slade blickte angestrengt über die Pferde hinweg. Am besten, sie ließ das Thema fallen, dann würden sie beide so tun, als ob es gar nicht zur Sprache gekommen wäre. Statt dessen hörte sie sich jedoch fragen: »Warum nicht?«
Abrupt brachte er die Pferde zum Stehen. Er drückte die Bremse hinunter und schlang die Zügel darum. Völlig ruhig saß er da, aber Regina spürte, wie -eine unglaubliche Energiewelle ihn durchströmte und in ihm hochstieg.
Fälschlicherweise hielt sie das für Ärger, und deshalb bereute sie ihre Dreistigkeit zutiefst.
Er blickte zu ihr. Egal, welche Geheimnisse er hatte, sie wären nicht länger im Dunkeln verborgen, wenn sie sie nur enträtseln könnte. Seine Augen leuchteten intensiv. Er hatte offene und machtvolle Bedürfnisse, die sie nicht verstand, und sie fühlte sich in einem einzigen Moment von ihm angezogen und gleichzeitig erschreckt.
»Es sei denn, Sie meinen eine bestimmte Art von Freundschaft, und selbst das wäre unmöglich.«
Regina konnte nicht sprechen, so sehr fesselte sie sein glühender Blick. Wäre sie davon nicht völlig in Anspruch genommen, dann hätten sie seine Worte wohl erschreckt. Sie
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