Schatten Der Erinnerung
»Noch nie hat mich jemand einen Schelm genannt. Es gefällt mir.«
Regina lachte wieder. Sie hatte dieses kokette Spiel offenbar schon viele Male mitgemacht und kannte sich nicht nur gut darin aus, sondern fühlte sich auch wohl dabei. Plötzlich fragte sie sich, wie das möglich war, wenn sie die letzten Jahre abgeschlossen in einer Privatschule für junge Damen verbracht hatte. In einer derartigen Umgebung hätte sie nicht die Möglichkeit gehabt mit netten jungen Männern zu flirten. Sie war verwirrt.
»Von jetzt an werden Sie es auf jeden Fall hören«, sagte Edward grinsend, »bis es Sie langweilt.«
Wieder huschte ein Lächeln über Reginas Gesicht, aber dieses Mal war es nur aufgesetzt. »Ich glaube nicht, dass eine junge Lady Schmeicheleien jemals satt bekommen kann«, erwiderte sie automatisch. Der Gedanke, der ihr gerade gekommen war, flößte ihr Unbehagen ein. Doch sie hatte keine Zeit, über den Widerspruch nachzugrübeln, denn Slade ließ einen verächtlichen Laut hören und zog damit die Aufmerksamkeit beider auf sich.
»Glaubst du, dass Frauen so etwas wirklich gefällt?« wollte er wissen.
Regina - betrachtete ihn überrascht und fragte sich, warum er ärgerlich war, wo die Worte seines Bruders doch nur spielerisch gemeint waren.
Edward lächelte ihr wieder zu. »Er ist nur eifersüchtig, weil er nicht einmal wüsste, wie er einer Frau schmeicheln sollte, wenn sein Leben davon abhinge.«
Bevor Slade seinem Bruder antwortete, sah er auf Regina. »Mir fehlt die Zeit für Schmeicheleien, du aber scheinst ein wirklicher Meister darin zu sein.«
»Ich fühle mich getroffen«, scherzte Edward. Aber Slades Antwort schien ihn irgendwie zu verwirren.
Wieder warf Slade einen anklagenden Blick auf Regina. »Ihr beide seid anscheinend Meister darin.«
Regina konnte nicht glauben, dass er so mit ihr sprach.
Edward neben ihr sah ebenso überrascht drein- »Aber Slade«, protestierte er.
Ohne sie zu beachten, hievte Slade den letzten ihrer Koffer auf den Boden und verschwand ins Haus.
Reginas Gefühle waren verletzt, aber sie achtete darauf, dies nicht zu zeigen. Um ihr gerötetes Gesicht vor Edward zu verbergen, wandte sie sich zum Haus. »Sie haben ein wundervolles Heim«, sagte sie unbehaglich.
»Das Haus geht auf das Jahr 1838 zurück«, erzählte Edward rasch. Dann berührte er ihren Arm. »Er hat das nicht so gemeint.«
»Doch, das hat er. Anscheinend bin ich sehr bewandert in der Kunst des Flirtens.«
»Manchmal kann ich meinen Bruder auch nicht verstehen«, sagte er grimmig. »Die meisten Damen, die ich kenne, flirten gern.«
Seine Worte vermochten sie nicht zu beruhigen. In den letzten paar Stunden hatte sie Slade von sich gestoßen, obwohl das überhaupt nicht ihre Absicht gewesen war. Ihm verdankte sie ihr Leben, dessen war sie sicher., Sie dagegen hatte ihn nur verärgert.
»Kommen Sie, lassen Sie uns hineingehen, drinnen ist es viel kühler«, forderte Edward sie auf und nahm ihren Arm.
Er hoffte, sie damit abzulenken, und Regina wollte abgelenkt werden. Sie betrachtete das Haus und stellte fest, dass es wirklich schön war. Riesige rote, rosane und weiße Oleanderbüsche entfalteten sich üppig an den Wänden des U-förmigen Gebäudes aus Ziegelsteinen. Durch den gewölbten Eingang hindurch konnte sie sehen, dass das Haus um einen ausgedehnten Hof mit rotgelbem Steinboden, einem Kalksteinbrunnen und - einer verschwenderischen Fülle exotisch blühender Gewächse gebaut war. An der Hofrückseite gab es eine Öffnung, und es sah aus, als würde sich an den ersten Hof noch ein weiterer anschließen.
»Selbstverständlich gab es seit 1838 ziemlich viele Anbauten«, erklärte Edward. »Was Sie jetzt sehen, ist nur ein Teil des Originalbaus. Wir sind eine der letzten richtigen Kalifornien Familien. Die meisten anderen haben verkauft.«
»Ich verstehe«, erwiderte Regina. Sie war dankbar für seinen gelungenen Versuch, etwas Normalität in die gegenwärtige Situation zu bringen.
»Wahrscheinlich haben Sie es schon oft gehört, aber der mexikanische Gouverneur Juan Bautista Alvarado hat uns dieses Land im Jahr 1837 übertragen. Alle mexikanischen Ranches waren ursprünglich spanische Missionsstationen. Als Mexiko 1822 seine Unabhängigkeit von Spanien erlangte, beanspruchte es Kalifornien.
Mexikanische Soldaten und Siedler, darunter auch einige Ausländer, ersuchten um die Übertragung von umfangreichem Grund und erhielten ihn auch. Wir gehörten zu den ersten, die Land übereignet
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