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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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Größe konzipiert und dabei war ich mit meinen knappen
eins siebzig nicht einmal so klein. Das oberste Regal konnte ich nur erreichen,
indem ich die Sachen warf, was das vorherige Zusammenlegen im Grunde
überflüssig machte.
    Sag doch was, hatte er immer
geschimpft, wenn ich versuchte, meine Wurftechnik zu perfektionieren. Er hatte
dann alles einsortiert, schließlich war er einen guten Kopf größer als ich.
Manchmal umfasste er auch meine Hüften und hob mich hoch, so dass ich bequem
heran kam und es selbst erledigen konnte. Es endete meist in einer innigen
Umarmung und die Wäsche war vergessen, zumindest die im Schrank.
    Er würde nie wieder schimpfen, mich
nie wieder hochheben, nie wieder seine Arme um mich schlingen – jetzt gab es
nur noch mich und den Schrank.
    Ich zupfte an dem Ärmel eines quer
liegenden schwarzen Pullovers, um ihn vorsichtig herunter zu ziehen. Was mir allerdings
entgegen kam, war beinah das gesamte Regalinnenleben. Überall auf dem Boden verteilten
sich T–Shirts, Hosen und Pullover. Es war ein chaotisches Stoffknäul, das mich
umzingelte.
    Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich
sank auf die Knie und wollte dem Ganzen Herr werden.
    Doch soweit kam ich nicht. An jedem
dieser Kleidungsstücke hingen Erinnerungen. Sie klebten daran, waren schier unauflöslich
damit verbunden. Sanft strich ich mit meinen Fingern über eine Hose. Seine
Lieblingsjeans, die überall abgescheuert war und mehr aus Löchern als aus Stoff
bestand. Das T–Shirt, das er bei unserer ersten Begegnung getragen hatte.
    Das Unerträglichste war der Geruch,
der von den Sachen ausging und sich in mein Gehirn brannte – sein Geruch.
    Forscher behaupten, dass wir uns
unseren Partner mehr durch die Nase, als durch unsere optische Wahrnehmung
aussuchten und damit bereits unbewusst filterten, welcher der potentiellen
Partner für gesunden Nachwuchs sorgen könnte.
    Ich würde diesen Duft überall
wiedererkennen und nun peinigte er mich mit seiner übermächtigen Präsenz. Wie
lange würde er wohl noch bleiben? Wann waren die letzten Spuren von ihm
vergangen? Wann würde er mich für immer allein lassen?
    Hektisch packte ich den gesamten
Stapel zusammen und versuchte ihn ungeordnet wieder in den Schrank zu stopfen.
Schnell verschloss ich die Schranktür und lehnte mich dagegen.
    Wenn ich das alles hier verschlossen
aufbewahrte, so würde es sein Geruch vielleicht konservieren und er würde ewig
bei mir bleiben.
    * * *
    Schnell schaltete ich durch die
Programme. Für einen Feiertag war das Fernsehprogramm mehr als spärlich. Ein
drittklassiger Film jagte den nächsten.
    Als ich bereits beim dritten Anlauf
war, alle Sender nacheinander durchzuschalten, blieb ich bei einem hängen. Ich kannte
den Film bereits. Es war die herzzerreißende Geschichte einer jungen Frau, die
alleingelassen ein Kind auf die Welt brachte und versuchte, ihm ein besseres
Leben zu bieten, als sie selbst gehabt hatte.
    Ich wusste nicht, wie oft ich den
Film schon gesehen hatte, aber ich hatte jedes Mal Rotz und Wasser geheult. Auch
sonst mutierte ich zu einem sprudelnden Wasserfall, wenn Filme oder Serien auf
die emotionale Schiene abdrifteten, wenn die Charaktere Schicksalsschläge
erlitten oder endlich das ersehnte Happy End einsetzte.
    Doch jetzt regte sich nichts in mir.
Keine Träne fand meine Augen. Ich spürte nur Leere. Keine der Szenen konnte
meinen Schmerz übertreffen, der wie ein Tumor immer weitere Teile meines
Körpers befiel.
    Ganz automatisch glitt meine Hand auf
die Armlehne und wartete darauf, dass er sie ergriff. Immer wieder hatten sich
unsere Hände dort gefunden. Fest umschlossen hatten sie dort geruht, während
wir schwiegen.
    Aber sie kam nicht. Sie würde nie
wieder kommen.
    Ich sah zu seinem Sofa. In der Mitte
zeichnete sich eine kleine Kuhle ab, seine Kuhle, in die nur sein Körper
hineinpasste. Wenn ich mich dort hinlegte, rollte mein Körper nur
unkontrolliert von einer Ecke zur anderen. Es war seine Couch, da gehörte ich
nicht hin.
    Das Licht fiel auf den Esstisch, auf
dem sein letzter Gruß auf mich gewartet hatte. An der linken Außenseite war das
Furnier schon ganz abgenutzt. Wenn Robert Arbeit mit nach Hause genommen hatte,
setzte er sich immer an den Esstisch und rieb unbewusst monoton mit der Hand
über diese Stelle. Inzwischen konnte man beim richtigen Lichteinfall schon die
kleinen Späne der darunter befindlichen Spanplatte erkennen, die versuchten, an
die Oberfläche durchzustoßen.
    Er hätte sich auch ins

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